Ein Essay von Valerie Tollhopf
Das Jahr 2020 war ein außergewöhnliches Jahr für uns alle. Wir haben durch Covid-19 massive Einschränkungen, manche von uns Todesfälle im engen Umfeld erfahren müssen. Das war und ist keine leichte Zeit. Andere globale Herausforderungen wie Klimawandel und Artensterben sind dabei teilweise in den Hintergrund gerückt und sind trotzdem als eine latente Sorge präsent geblieben: Wir steuern auf ein ökologisches Desaster zu und tun als Gesellschaft nicht genug, um den Kurs zu ändern. All das ist sehr belastend und die Situation, in der wir uns befinden, zermürbt viele von uns. Ein Weihnachtsfest, das uns in gewisser Weise Vertrautes, Beständigkeit und Normalität verspricht, wäre genau das, was wir brauchen. Leider wird in diesem Jahr Weihnachten nicht so stattfinden können, wie wir das gerne hätten. Wir werden uns aufgrund der hohen Infektionszahlen nicht wie gewohnt treffen können und, selbst wenn doch, dann wird es sicherlich anders sein als sonst. Bestimmt werden wir es jedoch schaffen, trotz und vielleicht auch gerade wegen der widrigen Umstände eine schöne gemeinsame Zeit zu haben. Nächstes Jahr kann dann Weihnachten möglicherweise wieder wie gewohnt stattfinden.
Ich möchte hier allerdings dafür plädieren, dass wir, obwohl die Situation eine so schwierige ist, gerade an Weihnachten, für mich verstanden als ein Fest der Liebe, nicht die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge ausblenden. Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, den Schwierigkeiten unserer Zeit zu trotzen und die Liebe, die wir miteinander teilen, über den Kreis unserer Familien hinaus wirken zu lassen. Weihnachten hat für mich dabei einen stark symbolischen Charakter. Meiner Meinung nach wäre ein veganes Weihnachtsfest das größte Zeichen, das wir setzen können, um zu symbolisieren, dass wir die Geschehnisse dieses Jahres ernstnehmen, dass wir uns um andere Menschen und Lebewesen sorgen und bereit sind, Verantwortung für ihr Wohlergehen zu übernehmen. Ich möchte im Folgenden erklären, warum ich das so sehe.
Tierische Landwirtschaft und Covid-19
Covid-19 hat uns alle unerwartet getroffen und bedeutet große soziale und ökonomische Folgen weltweit. Es ist wichtig, dass die Debatte hauptsächlich darum geht, wie wir am besten mit der Pandemie umgehen und wie wir so viele Opfer wie möglich vermeiden. Wir müssen alles tun, um mit Covid-19 bestmöglich zurechtzukommen. Trotzdem finde ich, dass es ebenfalls notwendig ist, über die Ursachen der Pandemie zu sprechen: Einerseits, um Covid-19 nicht als ein Schicksal zu verstehen, das uns von einer höheren Macht auferlegt wurde, und andererseits, um das Risiko zukünftiger Pandemien drastisch zu reduzieren.
Wenn wir über die Ursachen von Pandemien sprechen, dann kommen wir nicht darum herum, darüber zu sprechen, dass unser auf tierischen Produkten basierendes Ernährungssystem das Risiko für Pandemien drastisch erhöht. 75% aller neu auftauchenden ansteckenden Krankheiten, die den Menschen befallen, sind Zoonosen, was bedeutet, dass sie ihren Ursprung in Tieren haben.i ii Dadurch, dass wir tierische Produkte essen, kommen Menschen in immer engeren Kontakt mit diesen tierischen Krankheitserregern, von denen sich jederzeit einer als Virus herausstellen könnte, das das Potenzial hat, eine Pandemie zu verursachen. Das geschieht auf drei Arten. Erstens sorgt die industrielle Massentierhaltung, in der viel zu viele Tiere auf viel zu kleinem Raum gehalten werden, für ideale Bedingungen dafür, dass Krankheitserreger mutieren können und auf Menschen oder andere Tiere übertragen werden können. Zweitens sorgt die tierische Landwirtschaft für massive Zerstörung von Ökosystemen auf der ganzen Welt, indem riesige Flächen für Futtermittel und Rinderbeweidung benötigt werden. Die vorher intakten Ökosysteme werden viel schlechter darin, Krankheitserreger einzudämmen. Kühe zum Beispiel, die dann auf der zerstörten Fläche weiden, können vom Krankheitserreger infiziert werden und diesen wiederum auf Menschen übertragen. Drittens kann eine Übertragung tierischer Krankheitserreger entstehen, wenn Menschen zum Jagen wilder Tiere in Ökosysteme eindringen und diese entweder fangen oder töten, um sie auf Märkten zum Verkauf anzubieten.iii
In einer Welt, in der Menschen keine Tiere mehr essen oder bedeutend weniger, wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein Virus von einem Tier auf einen Menschen übertragen wird, deutlich reduziert.iv Natürlich gibt es andere Faktoren, die Pandemien begünstigen, die mit unserer globalisierten Welt zusammenhängen. Die tierische Landwirtschaft ist jedoch die größte Stellschraube, an der wir heute am einfachsten drehen können, um zukünftigen Pandemien vorzubeugen. Tun wir das nicht, dann wird die Wahrscheinlichkeit für Pandemien mit wachsender Weltbevölkerung, steigendem Konsum tierischer Produkte und anhaltender Naturzerstörung weiter zunehmen.
Nun läge es nahe, anzunehmen, dass wir hier in Deutschland mit dem Entstehen von Covid-19 nichts zu tun haben; dass das Virus die Schuld von China ist, wo der Ursprung der Pandemie stark vermutet wird. Das wäre aber insofern ein Fehlschluss, dass Pandemien an jedem Ort der Welt ausbrechen können. Die spanische Grippe beispielsweise hatte wahrscheinlich ihren Ursprung in Kansas und wurde von Geflügel auf Menschen übertragen. An dem Fall, dass in Dänemark auf Nerzfarmen das SARS-CoV-2-Virus mutiert ist und eventuell zu einer neuen Gefahr hätte werden können, was zum Glück nicht passiert ist, zeigt sich, dass Pandemien überall auf der Welt entstehen können. Wir müssen aus Covid-19 lernen und uns, sobald es uns als Gesellschaft möglich ist, darauf konzentrieren, die Ursachen von Pandemien zu bekämpfen, damit wir nicht noch einmal mit den verheerenden Auswirkungen einer Pandemie wie Covid-19 konfrontiert sind.
Tierische Landwirtschaft und ökologische Folgen
Mit Covid-19 ist die Weltgemeinschaft vor ein Problem gestellt worden, das unsere volle Aufmerksamkeit benötigt. Dabei sind andere Themen von ebenfalls großer Relevanz in den Hintergrund der Berichterstattung gerückt. Das ist auch bis zu einem gewissen Grad richtig so. Covid-19 stellt im Moment eine sehr akute Gefahr dar. Trotzdem hat sich durch die Pandemie nichts daran verändert, dass wir Menschen massive ökologische Probleme auf der Welt verursachen, die schon lange unser sofortiges Handeln erfordert haben und es immer noch tun. Ich argumentiere hier, dass der Wandel zu einer weltweit hauptsächlich pflanzlichen Ernährung enorm positive ökologische Auswirkungen hat. Eine pflanzliche Ernährung würde einen massiven Beitrag zur Lösung unserer größten Umweltprobleme beitragen, die alle miteinander in Verbindung stehen – darunter Klimawandel, Artensterben, Zerstörung von Ökosystemen, Nitratverschmutzung und Plastik in den Ozeanen.v
Der menschenverursachte Klimawandel beispielsweise ist ein schon seit Jahrzehnten bekanntes Phänomen, das in den letzten Jahren immer mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen hat. Unser Ziel muss sein, die Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich zu senken. Mit den aktuellen Gesetzgebungen und Zielen der Regierungen steuern wir global auf eine Temperaturerhöhung von 2,5°C bis 3,2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zuvi – und das, obwohl unter dem Pariser Klimaabkommen eine weltweite Einigung darauf stattgefunden hat, die Temperaturerhöhung unter 2°C, möglichst unter 1,5°C, zu halten. Die Konsequenzen einer Erderwärmung um 1,5°C wären bereits enorm für Menschen und Natur. Alles, was darüber hinausgeht, sorgt für noch stärkere und schwerer vorhersagbare und kontrollierbare Folgen.vii Neben der Abkehr von der Nutzung fossiler Brennstoffe ist eine pflanzliche Landwirtschaft der wichtigste Punkt, an dem wir ansetzen müssen, um dem Klimawandel beizukommen. Schätzungen zufolge ist tierische Landwirtschaft für zwischen 14,5%viii und 18%ix der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Diesen erheblichen Anteil zu reduzieren, indem wir vermehrt auf pflanzliche Landwirtschaft setzen, die deutlich weniger Treibhausgase verursacht, ist schon sehr viel wert im Kampf gegen den Klimawandel.
Besonders deutlich wird das Klimawandel-Argument für eine pflanzliche Ernährung aber, wenn wir bedenken, dass tierische Landwirtschaft für Futtermittelanbau und Rinderbeweidung um ein Vielfaches mehr Fläche benötigt als pflanzliche Landwirtschaft. Diese Zahlen einer umfangreichen Studie aus 2018 sind besonders eindrucksvoll: Tierische Landwirtschaft macht 83% der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen aus, während tierische Produkte global betrachtet lediglich 18% unseres Kalorienbedarfs decken. Daraus ergibt sich, dass, wenn sich alle Menschen vegan ernähren würden, wir riesige Mengen an Fläche einsparen könnten, 76% der heute genutzten landwirtschaftlichen Fläche.x Das ist ein Gebiet so groß wie die USA, China, Europa und Australien zusammen. Mit dieser frei gewordenen Fläche könnte nun viel angestellt werden. Menschen, die wegen Klimawandelfolgen aus ihrer Heimat fliehen müssen, könnten beispielsweise in manchen Gebieten Unterkunft finden. Einen erheblichen Teil dieser Fläche könnten wir allerdings auch renaturieren, also dafür sorgen, dass dort wieder möglichst vielfältige Ökosysteme entstehen – das ist äußerst relevant im Kampf gegen den Klimawandel. Denn besonders intakte Ökosysteme funktionieren als Kohlenstoffspeicher und können so einen großen Teil der Treibhausgase aus der Atmosphäre in sich binden.xi Eine pflanzliche Ernährung wirkt also doppelt unterstützend für das Klima: Einerseits werden die Treibhausgasemissionen der sehr klimaschädlichen tierischen Landwirtschaft erheblich gesenkt und andererseits bieten die neu freiwerdenden Flächen das Potenzial, bereits emittierte Treibhausgase aus der Atmosphäre zu speichern.
Wie bereits angemerkt, ist es schwer, ökologische Probleme klar voneinander zu trennen, weil zwischen ihnen starke Verbindungen bestehen. Das Artensterben, neben dem Klimawandel, sicherlich das zweite große ökologische Problem unserer Zeit, ist eng mit dem verwoben, was ich bereits als Argument beim Thema Klimawandel angeführt habe. Der Konsum tierischer Produkte ist die größte Ursache des Massenaussterbens von Arten, das im Moment stattfindet.xii Das geschieht unter anderem durch den massiven Flächenverbrauch, von dem bereits die Rede war und durch den wichtige Ökosysteme zerstört werden, die schließlich auch Lebensraum unterschiedlicher Lebewesen sind. Im Amazonas-Regenwald beispielsweise, einem der artenreichsten Ökosysteme der Erde, ist die tierische Landwirtschaft für 70-80% der dort stattfindenden Waldzerstörung verantwortlich.xiii
Die tierische Landwirtschaft trägt aber noch auf andere Weisen zum Artensterben bei. Durch Gülle und künstliche Dünger geraten beispielsweise zu große Mengen Nitrat und Phosphat in Seen und Flüsse und sorgen dort für Sauerstoffmangel, der wiederum Lebensräume so verändert, dass viele Arten nicht überleben können. Wenn Nitrat und Phosphat in Meere gelangen, dann haben sie auch dort katastrophale Auswirkungen und begünstigen das Entstehen sogenannter ‚Todeszonen‘, die große Bereiche in Küstenregionen sind, in denen so starker Sauerstoffmangel herrscht, dass Leben in bodennahen Wasserschichten unmöglich wird. Eine der weltweit größten dieser Todeszonen befindet sich in der Ostsee. Die notwendige Maßnahme, um gegen die Entstehung solcher Todeszonen zu steuern, ist, die Nährstoffeinträge in die Gewässer zu reduzieren. Das kann, besonders im Fall der Ostsee, wo Landwirtschaft im Gegensatz zu städtischen Abwässern eine deutlich größere Rolle spielt, einerseits funktionieren, indem weniger Dünger eingesetzt wird und indem Gülle besser verteilt wird, und andererseits, indem tierische Landwirtschaft, reduziert wird.
Das sind nur einige von vielen weiteren ökologischen Problemen, die mit dem Konsum tierischer Produkte verbunden sind. Zusätzlich können Bezüge zu beispielsweise Bodenerosion, Plastik in Meeren von der Fischereiindustrie und Frischwasserknappheit hergestellt werden, was allerdings den Rahmen dieses Textes sprengen würde. Die Hauptbotschaft ist so jedoch schon sehr deutlich: Die tierische Landwirtschaft ist mit- oder hauptverantwortlich für eine Vielzahl schwerwiegender ökologischer Probleme, die die Zerstörung von Natur bedeuten und gleichzeitig die Lebensgrundlage vieler Menschen, die von und in intakten Ökosystemen leben müssen, gefährdet.
Und nun?
Wie ich versucht habe, zu zeigen, ist tierische Landwirtschaft eng verwoben mit den größten globalen Problemen, denen wir uns heute als Weltgemeinschaft stellen müssen. Pflanzliche Ernährung dagegen ist einer der größten Beiträge, den wir zur Lösung dieser Probleme leisten können. Sie ist einer der umfassendsten Ansätze zum Umgang mit einer Vielzahl ökologischer Herausforderungen und kann dafür sorgen, das Risiko zukünftiger Pandemien drastisch zu senken. Warum das ganze nun zu Weihnachten? Für mich ist Weihnachten allem voran, und ich denke, dass viele Menschen diese Auffassung teilen würden, ein Fest der Liebe. Einmal im Jahr brechen meine Familie und ich aus dem Trubel des Alltags aus und kommen zusammen, um uns gegenseitig zu zeigen, wie gerne wir uns haben. Sicherlich gibt es immer mal ein paar Unstimmigkeiten, aber im Kern geht es doch darum, diese Liebe zu teilen und uns klarzumachen, dass sie das ganze Jahr über da ist, auch wenn sie im sonstigen Leben viel zu oft untergeht. Wir sorgen uns um das Wohlergehen unserer Liebsten und sind da, wenn wir gebraucht werden. Wir übernehmen Verantwortung.
Ich habe meine Familie sehr gerne und trotzdem möchte ich an dieser Stelle nicht aufhören, sondern meine Liebe über den Kreis meiner eigenen Familie hinauswirken lassen. Wir leben in Zeiten, in denen wir immer mehr merken, dass wir als Menschheit miteinander verbunden sind. In der aktuellen Pandemie beispielsweise sind wir darauf angewiesen, dass andere Menschen sich an Maßnahmen halten, damit möglichst wenige Menschen sterben und damit wir möglichst bald die Pandemie überwinden können. Abgesehen von einigen Ausnahmen halten sich sehr viele Menschen an die Hygienevorschriften, nehmen Rücksicht aufeinander und agieren als Gemeinschaft. Das stimmt mich hoffnungsvoll. Ich denke, dass Covid-19 insofern einen guten Lerneffekt mit sich bringt, dass Menschen vermehrt das Wohl anderer Menschen in ihr eigenes Handeln mit einbeziehen. Ich möchte das gerne auch auf andere Themen übertragen. Was, wenn meine Entscheidung darüber, was ich esse, konkret über das Wohlergehen anderer Menschen bestimmen kann? Natürlich ist es hier insofern anders als Covid-19, dass die Konsequenzen unseres Handelns in der Pandemie direkter spürbar werden. Im Fall von Klimawandel und Umweltzerstörung passieren die drastischen Auswirkungen oft noch in einem weit entfernten Land oder in der Zukunft. Ich finde aber, dass diese Distanz keine Rolle dafür spielen sollte, wie sehr wir das Wohlergehen anderer Menschen in unser Handeln mit einbeziehen. Der Schaden an anderen Menschen passiert trotzdem, egal ob weit weg, in der Zukunft oder in meinem direkten Umfeld. Menschen wie wir, mit Familie, Ängsten und Träumen, verlieren ihre Lebensgrundlage und sind dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Ich finde, dass wir das verhindern sollten, wenn wir es können.
Für mich persönlich ist es letztendlich außerdem so, dass ich nicht bei Menschen aufhören möchte, wenn es darum geht, das Wohlergehen anderer mitzudenken. Auch Tiere sind es meiner Meinung nach wert, dass wir ihre Interessen in unsere Entscheidungsfindung mit einbeziehen. Tiere fühlen, empfinden Schmerzen, gehen Bindungen mit anderen Tieren und Menschen ein, spielen und wehren sich mit aller Kraft gegen den Tod. Wir müssen Tiere nicht auf einer Stufe mit Menschen sehen, um ihr Unglück vermeiden zu wollen, wenn wir es können. Und das ist letztlich ein für mich ebenso schwerwiegendes Argument, pflanzliche Ernährung statt tierischer zu wählen. Für alle tierischen Produkte, die wir konsumieren, ob Eier, Fleisch, Milch oder Fisch, führen Tiere in der überwältigenden Mehrheit ein sehr kurzes, leidvolles Leben, das in jedem Fall mit ihrer Schlachtung, einer gewaltvollen Tötung, endet. Dabei gibt es keine sinnvolle Grundlage, auf der wir zwischen Schweinen und zum Beispiel Hunden unterscheiden. Beide sind Tiere, die die oben genannten Eigenschaften teilen. Der Unterschied ist nur, dass wir die einen als Haustier und die anderen als Nutztier bezeichnen. Das hat keine biologische Grundlage, sondern hat sich kulturell so entwickelt.
Heutzutage ist niemandes Überleben in Deutschland abhängig davon, tierische Produkte zu konsumieren. Im Gegenteil ist eine ausgewogene pflanzliche Ernährung unbedenklich und kann sogar positive gesundheitliche Auswirkungen haben.xiv Wenn wir Tieren einen gewissen Selbstwert zugestehen wollen, müssen wir uns also fragen, ob dieses Essen, auf das wir nicht angewiesen sind, wirklich den Tod so vieler Tiere wert ist. Nun, während ich diese Frage mit ‚nein‘ beantworten würde, gibt es sicherlich viele Menschen, die zögerlicher wären. Das ist insofern verständlich, dass wir alle in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, in der es völlig normal ist, tierische Produkte zu essen, und in der es seltsam scheinen kann, das nicht zu tun. Es ist in gewisser Weise schwer, diese Logik abzulegen. Umso wichtiger finde ich es, sich die Argumente beider Seiten ehrlich vor Augen zu führen, und dann nach den eigenen Werten eine individuelle Entscheidung zu treffen. Und so wie jeder Mensch nach unterschiedlichen Werten handelt, werden unterschiedliche Menschen sicherlich zu voneinander abweichenden Schlüssen kommen.
Bei diesem Gedankengang können einige Fragen hilfreich sein: Bin ich bereit, für das Wohlergehen von Tieren, für deren Freiheit von industrieller Haltung und Schlachtung, auf den Konsum tierischer Produkte zu verzichten? Vielleicht ist die Antwort hierauf ‚ja‘. Falls nicht: Bin ich bereit, für das Wohlergehen vieler Millionen Menschen, die eventuell nicht unter den Folgen ökologischer Probleme oder unter zukünftigen Pandemien leiden müssen, auf tierische Produkte zu verzichten? Vielleicht ist das ein entscheidendes Argument. Falls nicht: Bin ich bereit, um meiner selbst Willen, damit ich in dieser Welt ein möglichst sorgenfreies, möglichst von drastisch zugespitzten globalen Problemen befreites Leben führen kann, auf den Konsum tierischer Produkte zu verzichten? Vielleicht ist das ein Aspekt, der überzeugend ist. Falls nicht: Bin ich bereit für die Mitglieder meiner eigenen Familie, besonders für die jüngsten Menschen, die in der Welt werden leben müssen, über deren Eigenschaften wir heute maßgebend mitbestimmen, auf den Konsum tierischer Produkte zu verzichten? Die Antworten auf diese Fragen können wir nur jeweils selbst finden.
Ich finde jedenfalls besonders schön, dass in diesem Fall die Liebe für die Natur als solche, für Tiere, für Menschen auf der ganzen Welt, für mich selbst und für meine Liebsten Hand in Hand gehen und alle in die Richtung deuten, dass es ein ganz besonders weihnachtlicher Akt sein könnte, die Festtage ohne tierische Produkte zu gestalten. Und vielleicht ist es möglich, dieses Gefühl von Weihnachten nicht sofort wieder verfliegen zu lassen, sondern mit ins nächste Jahr zu tragen.
Quellen
i) Belay et al. (2017): Zoonotic Disease Programs for Enhancing Global Health Security. Emerging Infectious Diseases, 23(13).
ii) Jones et al. (2008): Global trends in emerging infectious diseases. Nature, 451(7181), pp. 990-993.
iii) ProVeg e.V. (2020): Food & Pandemics report: Part 1 – Making the Connection: Animal-Based Food Systems and Pandemics. Berlin.
iv) ProVeg e.V. (2020): Food & Pandemics report: Part 1 – Making the Connection: Animal-Based Food Systems and Pandemics. Berlin.
v) Aleksandrowicz et al. (2016): The impacts of Dietary Change on Greenhouse Gas Emissions, Land use, Water Use, and Health: A Systematic Review. Public Library of Science, PLoS ONE, 11(11).
vi) Climate Action Tracker (2020): 2100 Warming Projections. climateaction-tracker.org/glob… [zuletzt zugegriffen am 21.12.2020].
vii) IPCC (2018): Sonderbericht über 1,5°C globale Erwärmung (SR1.5).
viii) Gerber et al. (2013): Tackling Climate Change Through Livestock. A Global Assessment of Emissions and Mitigation Opportunities. FAO, Rome.
ix) FAO (2006): Livestock’s Long Shadow. Environmental Issues and Options. Rome.
x) Poore & Nemecek (2018): Reducing food’s environmental impact through producers and consumers. Science, 360(6392), pp. 987-992.
xi) Lal (2007): Carbon sequestration. Sustainable Agriculture II, 363(1492).
xii) Machovina et al. (2015): Biodiversity conservation: The key is reducing meat consumption. Science of The Total Environment, 536, pp. 419-431.
xiii) Nepstad et al. (2008): Interactions among Amazon land use, forests and climate: prospects for a near-term forest tipping point. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci., 363(1498), pp.1737-1746.
xiv) Williams & Patel (2017): Healthy Plant-Based Diet: What Does It Really Mean? Journal of the American College of Cardiology 70(4), pp. 423-425.
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Valerie Tollhopf (23.12.2020; 19:29 Uhr)
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Veröffentlicht von „der fellbeißer“© ( www.fellbeisser.net/news/ ) am 24.12.2020
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