Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V. – Pressemitteilung vom 09.06.2017
Im Januar 2016 musste die klinische Phase I-Studie des Pharmaunternehmens Biotrial Frankreich aufgrund schwerer Nebenwirkungen und dem Tod eines Probanden abgebrochen werden. Das Medikament war vorher in Tierversuchen getestet worden. Wissenschaftler der Universität Leiden berichten jetzt im Fachjournal “Science”, dass im Vorfeld artunterschiedliche Reaktionen nicht ausreichend mit humanspezifischen Methoden untersucht wurden. Für den Bundesverband Menschen für Tierrechte ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass die Ergebnisse aus Tierversuchen für den Menschen risikoreich sind. Die aktuellen Erkenntnisse bestätigen die Forderungen des Verbandes nach kompletten humanspezifischen Untersuchungsmethoden.
Anfang 2016 starb ein Proband im französischen Rennes bei klinischen Tests einer pharmazeutischen Substanz mit der Bezeichnung BIA 10-2474. Bei vier weiteren Probanden traten neurologische Beschwerden auf, bei dreien stellten die Ärzte Hirnblutungen und eine Zerstörung von Nervengewebe fest. Der klinischen Studie waren umfangreiche Tierversuche an Mäusen, Ratten, Hunden und Affen vorausgegangen. Bei den Tieren waren derartige Schäden nicht aufgetreten.
Niederländische Wissenschaftler vermelden jetzt neue Erkenntnisse, wie es zu den Nebenwirkungen und dem Tod des Probanden kommen konnte. Als einer der Hauptautoren des Science-Artikels wies Prof. Dr. Steven Kushner von der psychiatrischen Abteilung des Erasmus Medical Centers der Universität Rotterdam darauf hin, dass die Sicherheitsprüfung von BIA 10-2474 im Tierversuch die Nebenwirkungen beim Menschen nicht vorhersagen konnte. Dies unterstreiche die Wichtigkeit, Wirkstofftests auf neue humane Zellmodelle auszuweiten, mit denen das Sicherheitsprofil experimenteller Arzneistoffe besser abgeschätzt werden könne.
“Die aktuellen Untersuchungen der Universität Leiden zeigen, dass die Übertragung von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen lebensgefährlich sein können. Deswegen fordern wir eine besondere Förderung für die Entwicklung humanspezifischer Verfahren. Die Politik ist hier in der Pflicht. Nach dem Vorbild der Niederlande muss sie endlich einen Masterplan für den Abbau von Tierversuchen und für die Weiterentwicklung tierversuchsfreier Testmethoden vorlegen”, fordert Christina Ledermann, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte.
Als Ursache für die Nebenwirkungen wird vermutet, dass die Substanz mit der Bezeichnung BIA 10-2474 in höheren Dosen nicht nur am gewünschten sogenannten FAAH-Inhibitor*, sondern auch an mehreren anderen ähnlichen Proteinen angedockte (Target-Off-Effekt), was zu schweren neurologischen Symptomen bei Mehrfachgabe an die Probanden geführt hatte.
Das portugiesische Pharmaunternehmen Bial wollte aus BIA 10-2474 ein potentes Schmerzmittel entwickeln, mit dem sich Angst und motorische Störungen aufgrund neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson und Multipler Sklerose sowie chronische Schmerzen behandeln lassen.
*Enzyms Fatty Acid Amide Hydrolase (FAAH)
Quellen:
www.pharmazeutische-zeitung.de…
www.universiteitleiden.nl/en/n…
Originalpublikation:
Annelot C. M. van Esbroeck, Antonius P. A. Janssen, Armand B. Cognetta III, Daisuke Ogasawara, Guy Shpak, Mark van der Kroeg, Vasudev Kanta, Marc P. Baggelaar, Femke M. S. de Vrij, Hui Deng, Marco Allarà, Filomena Fezza, Zhanmin Lin, Tom van der Wel, Marjolein Soethoudt, Elliot D. Mock, Hans den Dulk, Ilse L. Baak, Bogdan I. Florea, Giel Hendriks, Luciano De Petrocellis, Herman S. Overkleeft, Thomas Hankemeier, Chris I. De Zeeuw, Vincenzo Di Marzo, Mauro Maccarrone, Benjamin F. Cravatt, Steven A. Kushner, Mario van der Stelt (2017): Activity-based protein profiling reveals off-target proteins of the FAAH inhibitor BIA 10-2474. Science 356/6342, 09 June 2017. science.sciencemag.org/content…
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Veröffentlicht von „der fellbeißer“© (www.fellbeisser.net/news/) am 09.06.2017
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