Sehr geehrte Damen und Herren,

nach unserem Kenntnisstand sollen auf der morgigen Sonder– Agrarministerkonferenz auch die „Empfehlungen des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung“ besprochen werden.

Im Anhang finden Sie eine Stellungnahme von einigen Mitgliedern des Netzwerkes „Kräfte bündeln“ zu dem Thema. Wir bitten um Beachtung der Ausführungen.

Mit freundlichen Grüßen,

Claudia Preuß-Ueberschär

—–

Dr. med. vet. Claudia Preuß-Ueberschär
Sanddornweg 4
30900 WEDEMARK

Tel.: 05130 8692
Mail: CPreussUeberschaer@googlemail….

—–

Anhang:

Stellungnahme zu den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung (sog. Borchert-Kommission)

Mit den Empfehlungen des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung werden sich in naher Zukunft Agrarministerkonferenz, Parlament und Bundesregierung auseinandersetzen.

Es steht außer Zweifel, dass die Nutztierhaltung in Deutschland in ihrer jetzigen Form „nicht zukunftsfähig“ ist (WBA 2015). Die konsequente Bekämpfung vielfach eklatanter Verstöße gegen das Staatsziel Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung ist von höchster Dringlichkeit und verdient breite Unterstützung.

Jedoch steht jede Verbesserung der Tierschutzleistungen auf landwirtschaftlichen Betrieben im Konflikt mit der Fokussierung der deutschen Fleisch- und Milchindustrie, auf den globalen Märkten um jeden Preis wettbewerbsfähig zu sein. Dieser ebenso grundlegende wie schwerwiegende Konflikt wird bislang weder seitens des Bundestags, noch seitens der Bundesregierung oder des Bundesrats thematisiert. Auch das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung übergeht das gleichermaßen Konflikthafte wie Destruktive dieser politisch nach wie vor unterstützten und bis dato nicht in Frage gestellten, auf permanente Preisunterbietung ausgerichteten Weltmarktstrategie der großen Fleisch- und Milchverarbeiter.

Aus unserer Sicht liefern die gemachten Vorschläge des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung keine Ansatzpunkte für eine effektive Verbesserung der Lebensbedingungen der Tiere und die gesellschaftlich konsensfähige Neuausrichtung der Landwirtschaft.

Wir begründen die Ablehnung der Empfehlungen wie folgt:

1. Ein gesellschaftlich konsensfähiges Tierschutzniveau als Grundlage für staatliche Förderung der Tierhaltung durch Steuermittel ist bisher nicht definiert. Die Kommission wurde ihrem Anspruch, einen Dialog zwischen Interessengruppen abzubilden, nicht gerecht, da sie maßgeblich von der Interessengruppe Landwirtschaft vorgeprägt wurde. Tierschutz- und Umweltschutz-NGOs waren nicht repräsentativ beteiligt. Die Verhandlungen ließen jedes Minimum an Transparenz vermissen.

2. Akzeptanz in der Gesellschaft soll lediglich durch neu zu bauende, bessere Ställe erreicht werden. Die Forderungen an die drei Stufen, in denen Tierhaltung verbessert werden soll, sind unklar und wenig ambitioniert. Von einer Abschaffung des Vollspaltenbodens in der Schweine- und Rindermast und von der Käfighaltung der Sauen ist gar nicht erst die Rede. Stufe 1 stellt im Wesentlichen den gesetzlichen Mindeststandard dar – ausgenommen der nicht umgesetzten EU-Richtlinien, für deren Erfüllung sich die Landwirte bis 2030 Zeit lassen können. Bereits hierfür soll nach Auffassung der Kommission zusätzlich gefördert werden. Erst 2040 soll die Stufe 2 („verbesserte Ställe“) flächendeckend erreicht sein. Für Stufe 3 soll ein Marktanteil von 10% in 2040 ausreichend sein. Die Kommission lässt unberücksichtigt, dass erfolgreicher betrieblicher Tierschutz nicht auf rein formale Größen wie standardisierte Ställe reduziert werden kann und darf. Ohne die Relevanz von geeigneten Ställen herunterzuspielen, müssen wir nachdrücklich darauf hinweisen, dass Tierschutz hochkomplex ist und aus dem Zusammenwirken einer Vielzahl von Maßnahmen resultiert.

3. Zwar sieht die Kommission die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des Ordnungsrechts, stellt aber die Förderpolitik in den Vordergrund und nimmt die Entwicklung des ordnungsrechtlichen Rahmens nicht in ihren Zeitplan auf. Fakt ist, dass Deutschland beim Tierschutz der EU-Gesetzgebung seit Jahren hinterherhinkt. Puten, Bullen, Milchkühe sind in der geltenden TierSchNutztV bisher gar nicht berücksichtigt. Strukturelle und fachliche Mängel allerorten lassen viel Raum für Vollzugsdefizite im Tierschutzrecht.

4. Die Kommissionsempfehlungen blenden völlig aus, dass sich die gesellschaftliche Kritik nicht nur auf die reinen Tierhaltungsbedingungen und deren Folgen, wie etwa enorm hohe Zahlen an Produktionskrankheiten, bezieht, sondern auch auf Tiertransporte, Schlachtungsskandale, auf die Aufhebung der flächengebundenen Tierhaltung, auf die Zusammenhänge zwischen intensiver Tierhaltung und Futtermittelimporten, auf die Gefährdung von Regenwald und Weltklima…kurz: auf alle negativen Umweltfolgen einer auf Export getrimmten ,Nutz’tierhaltung, die die Kommission nicht in Frage stellt. Der Überproduktion von tierischen Produkten und der Verschwendung von Ressourcen wird im Empfehlungskatalog in keiner Weise Rechnung getragen. So bleibt schleierhaft, wie die zwar wohlfeilen, aber bislang wenig substanziellen Ziele des „Green Deal“ und der „Farm-to-Fork Strategie“ der neuen EU-Kommission von Deutschland erreicht, geschweige denn vorangebracht werden können. Denn eine signifikante Reduzierung von Treibhausgasen in der Landwirtschaft ist nur möglich, wenn Tierzahlen und Futtermittelimporte drastisch verringert werden. Die Direktzahlungen der GAP dürfen daher nur noch für nachweislich Tier- und umweltgerechte Leistungen verwendet werden. Die öffentlich finanzierte Subvention von Grundbesitz (Agrarflächen) ist ersatzlos zu streichen. So langeweiterhin der größte Einzelposten an Steuergeldern im EU-Haushalt für eine nicht zukunftstaugliche Landwirtschaft verschwendet wird, ist die Erhebung von Zusatzabgaben der Endverbraucher auf tierliche Lebensmittel nicht akzeptabel.

5. Mit einer Tierwohlabgabe auf Fleisch- und Milchprodukte das Geld für eine „Tierwohlprämie“ einzutreiben, ist sozialpolitischer Unsinn. Fraglich ist obendrein, ob diese Gelder tatsächlich beim Erzeuger ankommen würden, oder ob sie bei den Verarbeitern, dem LEH und den Discountern hängenbleiben.

Zusammengefasst:

Grundvoraussetzung für die gesellschaftliche Akzeptanz der „Nutz“tierhaltung ist die Ermittlung des gesellschaftlich anzustrebenden und damit förderungswürdigen Tierschutzniveaus.

Ein noch zu findendes, geeignetes Dialogformat muss gesellschaftlich relevante Gruppen repräsentativ abbilden und für gleiche Voraussetzungen bei der Verhandlung von Zielkonflikten sowie für maximale Transparenz sorgen. (z.B. in Gestalt eines repräsentativ besetzten Bürgerrates zur Zukunft der landwirtschaftlichen Tierhaltung, siehe www.buergerrat.de/)

Die massive Fehlentwicklung der Landwirtschaft, verursacht durch politische Rahmenbedingungen, die zu Lasten von Tier, Mensch und Umwelt einseitig die Interessen der den Tierhaltern vor- und nachgelagerten Industrien gefördert hat, lässt sich mit den Empfehlungen des Kompetenzwerkes nicht korrigieren.

Weltmarktausrichtung der Fleisch- und Milchproduktion sind unvereinbar mit dem Staatsziel Tierschutz und einer Qualitätsproduktion von tierischen Produkten. Beides zusammen erreichen zu wollen, wie es der Kommission vorschwebt, gleicht der Quadratur des Kreises.

Allein im Qualitätswettbewerb liegt die Zukunft der Landwirtschaft! Agrarsubventionen müssen deshalb in Tier- und Umweltschutzleistungen umgelenkt werden.

Staatliche Aufgabe ist es, die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die das zu ermittelnde gesellschaftlich akzeptierte Tierschutzniveau garantieren können, herzustellen. Weder „Tierwohl“-Abgaben noch „Tierwohl“-Kennzeichnungen, mit denen der Staat seine Zuständigkeit und Verantwortung für die Erreichung des Staatsziels Tierschutz an die individuellen Kaufentscheidungen der Verbraucher:innen zu delegieren versucht, können diese Kernaufgaben staatlichen Handelns ersetzen – geschweige denn erreichen.

Aktion Kirche und Tiere e.V.
Ärzte gegen Massentierhaltung n. e.V.
Bürgerinitiative LAHSTEDT-ILSEDE für TIER, MENSCH und UMWELT
Contra Industriehuhn Wedemark e.V.
Foodwatch e.V.
PETA Deutschland e.V.
Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V.
Menschen für Tierrechte e.V.
Robbenzentrum Föhr
Verein für Tierrechte e.V.

———-

Claudia Preuß-Ueberschär (26.08.2020; 18:51 Uhr)
cpreussueberschaer@googlemail….

———-

Veröffentlicht von „der fellbeißer“© ( www.fellbeisser.net/news/ ) am 27.08.2020
twitter.com/fellbeisser

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein