05.06.2018
Sondergesetz für „Stalleinbrüche“?
Mit der Ankündigung, Hausfriedensbrüche zur bildlichen Dokumentation von Tierhaltungsmissständen als Straftatbestand ,Stalleinbruch‘ effektiver ahnden zu wollen, demonstrieren Regierungspolitiker, dass sie die jüngsten Urteile der Gerichte dazu nicht gelesen haben oder diese ignorieren und dass ihnen Verfassung und Gesetze wenig bedeuten. Das Thema landwirtschaftliche Tierhaltung berührt rechtliche, aber auch viele moralische Fragen in unserer Demokratie und müsste dringend einer demokratischen Aufarbeitung im Bundestag zugeführt werden. Stattdessen hat die Groko schon vor Beginn der parlamentarischen Arbeit mit einer Gruppe von Interessenvertretern die Durchsetzung eines Sonderstrafrechts für Stalleinbrüche verabredet mit dem naheliegenden Ziel, die öffentliche Wahrnehmung von Tierhaltungsmissständen zu verhindern.
Untersuchungen in den USA zeigen jedoch, dass solche Spezialgesetze das Vertrauen in Politik und Agrarwirtschaft nicht wieder herstellen, sondern ganz im Gegenteil dazu geeignet sind, das Vertrauen der Bevölkerung in das agrarwirtschaftliche System zu verringern, die Tierhaltung noch negativer einzuschätzen und strengere Tierschutzgesetze einzufordern.
In der Strafsache gegen die Mitarbeiter der Tierschutzorganisation ARIWA haben die Richter des OLG Naumburg den Hausfriedensbruch nur deshalb als ,rechtfertigenden Notstand‘ anerkannt, weil die Missstände den Eingreifenden vorab bekannt waren und sich die staatlichen Ämter der Erfüllung ihrer Aufgaben verweigert haben. Das Gericht stellt also klar, dass es grundsätzlich keinerlei Befugnisse gibt, in fremde Rechte einzugreifen nur um zu überprüfen, ob eventuell Tierschutzverstöße vorliegen könnten. Es müsse darüber hinaus unvermeidbar sein, die bereits bekannten Rechtsverstöße bildlich zu dokumentieren, um auf die Abstellung der tierschutzwidrigen Zustände hinwirken zu können. Von ,Freibrief für Stalleinbrecher’ keine Spur!
Die Richter stellten fest, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Beendigung tierquälerischer Zustände das Recht der Betreiber der Anlage auf Respektierung ihres Hausrechts überwiege, insbesondere deshalb, weil die Inhaber des Hausrechts für die Missstände verantwortlich waren.
Investigative Stallrecherchen sind ein relativ seltenes Ereignis. Sehr viel häufiger dagegen sind Einbruchsdiebstähle in landwirtschaftliche Betriebe mit erheblichen Schäden durch Sachbeschädigung, gestohlenes Vieh und gestohlene Landmaschinen. Aber seltsamerweise wird von der Agrarbranche nur im Zusammenhang mit investigativen Stallrecherchen, bei denen es weder zu Schäden noch zu Verlusten kam, emotional die angebliche Traumatisierung ganzer Landwirtsfamilien herausgestellt.
In eigenen Umfragen der agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen zeigt sich, dass 84,4% der Verbraucher das Wohlergehen von Nutztieren sehr wichtig ist. Jedoch vertrauen nur 30% den staatlichen Kontrollen. Heimliche Aufnahmen aus Stallanlagen werden überwiegend als glaubwürdig und legitim empfunden, weil sonst Tierschutzprobleme nicht aufgeklärt werden könnten.
Die Göttinger Forscher bestätigen die US amerikanische Studie, nach der eine Verschärfung der Gesetze gegen Stalleinbrüche „nach hinten losgehen könnte“. Sie raten deshalb der Landwirtschaft, Tierwohlbemühungen umzusetzen und ihre Sorge und Verantwortung für die Tiere glaubhaft in die Öffentlichkeit zu transportieren, um Undercover-Aufnahmen überflüssig zu machen. Allerdings dürfe dies der Branche schwerfallen, weil schon ,das Normale‘ oft nicht vorzeigbar sei und hinter den Wünschen und Vorstellungen der Verbraucher weit zurückfalle.
Betriebskontrollen durch die zuständige Behörde d.h. durch die Veterinärämter, finden in der Regel nur alle 10 Jahre statt und dann auch noch angemeldet. Veterinärämter sind den Kommunen zugeordnet und befinden sich deshalb häufig in dem Zwiespalt, landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen kontrollieren zu müssen, andererseits aber Gewerbesteuer zahlende Eigner nicht verprellen zu dürfen. Zwar sind die für vielfältige Aufgaben zuständigen Veterinärämter chronisch unterbesetzt, das ist jedoch nicht der alleinige Grund. Gerade in den viehdichten Regionen ist die Haltung der Ämter traditionell sehr landwirtschaftsnah. Man versteht sich eher als Dienstleister für landwirtschaftliche Unternehmen, mit denen man keine Konflikte möchte. Nachwachsende Generationen passen sich diesem Klima an. Teilweise fehlt auch die fachliche Grundlage zur ordnungsgemäßen Kontrolle von Großbetrieben. Alles das führt dazu, dass in der Öffentlichkeit das Vertrauen in die Kontrollfunktion der Veterinärbehörden nicht unbegründet schwindet. So gesehen kann man den Eindruck gewinnen, dass eine strikte Durchsetzung der ohnehin zu laschen Gesetzgebung politisch gar nicht gewünscht ist. Trotz gegenteiliger Beteuerungen werden in der politischen Abwägung der verschiedenen Güter das Tierwohl und die körperliche Unversehrtheit von Lebewesen der Ökonomie nachgeordnet.
Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner und andere LänderministerInnen berufen sich auf das Gewaltmonopol des Staates. Staatsorgane, die wie ein zahnloser Tiger die eigenen Gesetze nicht achten und durchsetzen, sind jedoch unglaubwürdig und unwirksam. Der Staat entzieht sich seiner Aufgaben. Im Politikersprech nennt man das ,schlanker Staat‘.
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Gesendet: Samstag, 09. Juni 2018 um 13:07 Uhr
Von: “Simone Forgé” s.forge@posteo.de
Betreff: Zur Info: Pressemitteilung zum Thema ,Stalleinbrüche’ von TfvL e.V.
Zur Info
——– Originalnachricht ——–
Betreff: WG: Kommentar zu ,Stalleinbrüchen’
Datum: 08.06.2018; 07:18 Uhr
Von: “Claudia Preuß-Ueberschär” cpreussueberschaer@googlemail….
An: ”Harald Gabriel” harald.gabriel@bioland.de
Pressemitteilung zum Thema „Stalleinbrüche“ vom Verein „Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V.“
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Claudia Preuß-Ueberschär, tfvL
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Übersandt von:
Martina Patterson (09.06.2018; 23:02 Uhr)
pattersonmatpatt@gmx.net
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Veröffentlicht von „der fellbeißer“© (www.fellbeisser.net/news/) am 10.06.2018
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