Naturschutz/Artenschutz

Gebietsfremde Arten in Deutschland: Vorsorge ist der beste Schutz

● Bundesamt für Naturschutz veröffentlicht Management-Handbuch für 168 Arten

● BfN-Präsidentin: „Wir brauchen artspezifische Handlungskonzepte“

Bonn, 28. Januar 2016: Gebietsfremde Arten gefährden zunehmend die heimische Flora und Fauna. Um deren Verbreitung einzudämmen und die biologische Vielfalt zu schützen, sind differenzierte und artspezifische Maßnahmen erforderlich. Erstmals gibt nun das Bundesamt für Naturschutz (BfN) Empfehlungen zum Umfang mit 168 gebietsfremden Tier-, Pflanzen- und Pilzarten, die als invasiv oder potenziell invasiv eingestuft sind. Veröffentlicht sind diese im zweibändigen „Management-Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland“.

Auch wenn viele gebietsfremde Arten in Deutschland unproblematisch sind und keine Schäden verursachen, gibt es Arten wie die Gelbe Scheinkalla, eine Blütenpflanze, die entlang von kleinen Bachläufen durch dichten Wuchs alle angestammten Arten verdrängt. Dadurch entsteht Handlungsbedarf, insbesondere im Naturschutz. „Aktionismus ist aber in jedem Fall fehl am Platz“, sagt BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel. „Denn unkoordinierte Maßnahmen können die Ausbreitung gebietsfremder Arten sogar noch fördern. Wir brauchen deshalb differenzierte und artspezifische Handlungskonzepte.“ In jedem Fall, so die BfN-Präsidentin, „ist Vorsorge statt aufwändiger und teurer Nachsorge der Leitsatz im Naturschutz“. Es gelte darum zunächst einmal, den Transport invasiver Arten zu kontrollieren und eine Freisetzung zu verhindern.

Um schließlich die Ausbreitung von invasiven und potenziell invasiven Arten zum Schutz der biologischen Vielfalt zu stoppen, werden bereits zahlreiche Maßnahmen praktiziert. Längst nicht alle sind jedoch effizient oder – aus Sicht des Naturschutzes – empfehlenswert. Deshalb wurden in einem Forschungsvorhaben des BfN in Zusammenarbeit mit der TU Dresden nun erstmals für insgesamt 168 invasive oder potenziell invasive Pilz-, Pflanzen- und Tierarten alle verfügbaren Erkenntnisse und Erfahrungen zu Maßnahmen zusammengetragen und auch bewertet. „Mit dem Management-Handbuch liegt jetzt zum ersten Mal eine Sammlung artbezogener Maßnahmen für alle bisher durch das BfN als problematisch klassifizierten Arten vor. Das Handbuch liefert außerdem fachlich geprüfte und naturschutzfachlich bewertete Empfehlungen für den Umgang mit diesen Arten“, erklärt Prof. Beate Jessel. Berücksichtigt werden invasive und potenziell invasive Arten, die in Deutschland lokal oder großflächig verbreitet sind, aber auch Arten, die hier noch nicht angekommen sind wie das Nordamerikanische Grauhörnchen, das sich in England und Italien zunehmend ausbreitet und einen Pockenvirus überträgt, der beim Europäischen Eichhörnchen eine tödliche Krankheit auslöst.

Die naturschutzfachlichen Managementempfehlungen umfassen für jede einzelne Art insgesamt vier Kategorien: Vorsorge, Beseitigung, Kontrolle sowie Nutzung/Entsorgung. Innerhalb dieser Kategorien wurden die recherchierten Maßnahmen bewertet. Ob die Anwendung einer Maßnahme dann als empfehlenswert eingestuft wurde, war von drei Kriterien abhängig: ihrer Effizienz, ihren ökologischen Auswirkungen und ihren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. An der Erarbeitung des Management-Handbuchs waren insgesamt 164 Expertinnen und Experten beteiligt. Sie haben dabei rund 3600 Maßnahmen geprüft und bewertet, 1900 Maßnahmen haben das Prädikat „empfehlenswert“ erhalten.

Hintergrund

Gebietsfremde Arten gelangen zum einen absichtlich nach Deutschland, beispielsweise über den Gartenbau oder den Heimtierhandel. Zum anderen werden viele gebietsfremde Arten auch unabsichtlich mittransportiert, zum Beispiel über Fahrzeuge, über Verpackungsmaterial oder Güter wie Erdreich oder über die großen Schifffahrtskanäle, die unterschiedliche Gewässersysteme verbinden. Insgesamt 3000 gebietsfremde Arten kommen mittlerweile wildlebend in Deutschland vor, längst nicht alle können hier dauerhaft überleben. Immerhin 808 gebietsfremde Tier-, Pflanzen- und Pilzarten gelten als etabliert. Zum Problem für die Natur werden gebietsfremde Arten jedoch dann, wenn sie heimische Arten, Biotope oder Ökosysteme gefährden. In diesem Fall werden sie als invasiv klassifiziert. Besteht die Möglichkeit einer Gefährdung, werden sie als potenziell invasiv eingestuft.

Im Bundesnaturschutzgesetz findet sich eine Regelung zu nichtheimischen, gebietsfremden und invasiven Arten (§ 40). Auch auf europäischer Ebene wurde die zunehmende Anzahl gebietsfremder Arten als grenzüberschreitendes Problem erkannt. Zum 1. Januar 2015 trat daher die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 in Kraft, die differenzierte Regelungen für die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten vorsieht.

Hinsichtlich ihrer Invasivität werden gebietsfremde Arten in Deutschland nach einer Methodik bewertet, die das Bundesamt für Naturschutz entwickelt hat: Sind keine Auswirkungen bekannt, gilt die gebietsfremde Art, beispielsweise der Chile-Flamingo, als „bisher nicht invasiv“. Lassen sich die Auswirkungen nicht abschließend beurteilen, wird die Art als „potenziell invasiv“ eingestuft. Dann können erste Maßnahmen sinnvoll sein, beispielsweise das gezielte Abfischen von Sonnenbarschen. Sind relevante Auswirkungen auf die biologische Vielfalt belegt, handelt es sich um invasive Arten. Beispiele für invasive Arten sind unter anderem die Goldrute, der Riesen-Bärenklau, der Amerikanische Ochsenfrosch, die Amurgrundel oder auch der Bisam.

Informationen zu gebietsfremden Arten bietet unter anderem die Website: www.neobiota.de

Bezug
Das „Management-Handbuch zu gebietsfremden Arten in Deutschland“ ist in der Schriftenreihe „Naturschutz und Biologische Vielfalt“ als Band 141 erschienen und kann über den BfN-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag Münster-Hiltrup www.buchweltshop.de/bfn oder den Buchhandel bezogen werden.

Management-Handbuch zum Umfang mit gebietsfremden Arten in Deutschland, Band 1: Pilze, Niedere Pflanzen und Gefäßpflanzen, Band 2: Wirbellose Tiere und Wirbeltiere. Bundesamt für Naturschutz, Bonn – Bad Godesberg 2015: 1335 Seiten, Preis für beide Bände: 85,00 EUR (ggf. zzgl. Versandkosten).
ISBN 978-3-7843-4041-8

—–

Pressesprecher Ruth Schedlbauer

Bundesamt für Naturschutz
Konstantinstr. 110
53179 Bonn

Telefon: 02 28/84 91-4444
Telefax: 02 28/84 91-1039
E-Mail: presse@bfn.de
Internet: www.bfn.de

Kontaktinformationen: BfN Presse, Bundesamt für Naturschutz, Konstantinstraße 110, 53179 Bonn

———-

BfN Presse (28.01.2016; 00:00 Uhr)
presse@bfn.de

———-

Veröffentlicht von „der fellbeißer“© (www.fellbeisser.net/news/) am 28.01.2016
twitter.com/fellbeisser

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein