Ulrich Dittmann
Es gibt viele Tierfreunde in Deutschland. Sehr viele. Wir gehören zu den tierfreundlichsten Ländern – sagt man. Und schenkt man Politikeraussagen Glauben, haben wir auch das beste Tierschutzgesetz der Welt. Kenner der Materie sprechen hingegen von einem »Tiernutzgesetz«, das in der Praxis kein Tier vor Misshandlung schützt. Denn der Begriff ‚Tierschutzgesetz‘ täuscht darüber hinweg, dass es leider eher Hauptanliegen des Gesetzes ist, gnadenlos die Ausbeutung von Tieren zu regulieren und letztlich auch zu legalisieren, als zu schützen. Und – sei es bei offiziellen Umfragen, oder in privaten Gesprächen, immer wieder wird von der Bevölkerung bekundet, wie sehr »tierlieb« man doch sei. …
Es ist »in«, gehört heutzutage einfach zum guten Ton, sich demonstrativ zum Umweltschutzgedanken zu bekennen und ein Herz für Tiere zu zeigen. Doch wie tierfreundlich sind wir im Alltagsleben, wie sieht es wirklich aus? Ist vieles vielleicht nur ein leeres Lippenbekenntnis?

So bezeichnet sich ein Tierexperimentator – tagsüber beschäftigt ätzende Flüssigkeiten in Kaninchenaugen zu träufeln – abends, bei einem Fernsehinterview, währenddessen er demonstrativ für die Kamera seinen schwanzwedelnden Hund streichelt, als Tierfreund.

Auch der Betreiber einer Hühnerlegebatterie, dessen quälerisch gehaltene Tiere nach höchstrichterlicher Entscheidung »KZ-Hühner« genannt werden dürfen, sieht sich als Tierfreund und schämt sich nicht zu versuchen diese widerliche Tierschinderei mit perfiden Ausreden zu verteidigen, »… seine Hennen seien so vor natürlichen Feinden (Fuchs, Habicht) fürsorglich geschützt und legten wohlbehütet im Warmen ihre Eier«.

Reiter, die aus Ehrgeiz ihr ‚Sportgerät‘ Pferd überanstrengen, ja sogar zu Tode schinden, Züchter jeglicher Couleur, die stolz oft zusätzlich Krüppel-Qualzuchten »kreieren«, oder letztlich nur für den Schlachthof die ‚Ware‘ Tier vermehren, wie auch professionelle Tierhändler und Geschäftemacher und, und, und… – sie alle, alle geistern als »Tierfreunde« durch die Statistiken.

Auch bei den Kleintierliebhabern ist der Schritt von der Tierliebe zur Tierquälerei nicht allzu groß. Meist aus Unkenntnis der tierischen Bedürfnisse, Gleichgültigkeit, oder sträflicher Dummheit vegetieren Vögel in zu kleinen Volieren, Fische in schlecht belüfteten, überfüllten Aquarien, und sind Kaninchen, Meerschweinchen, Hamster, Hausratten oder Mäuse dem Halter nach der ersten interessanten Zeit langweilig geworden und werden nur noch notdürftig versorgt, bis ein gnädiger Tod sie in ihren Käfigen von ihren Leiden erlöst. Katzen werden wider besseres Wissen oftmals auch von »Tierfreunden« aus blankem Geiz nicht kastriert – trotz Katzenschwemme, trotz unübersehbarem Katzenelend und immerwährender verzweifelter Appelle der Tierschutzorganisationen. Der Hund hängt lebenslang an der Kette, oder kommt niemals aus dem Zwinger, oder dunklen Kellergewölben heraus – sein ‚Besitzer‘ sieht sich ebenfalls als Tierfreund, füttert er ihn doch, so etwas übriggeblieben ist, gewissenhaft mit Essensresten, gleich einer vierbeinigen Mülltonne.

Der deutsche Tourist, der mit dem Kauf einer Eintrittskarte die Barbarei des Stierkampfes in staubigen Arenen Spaniens unterstützt (Zitat: »… muss man doch gesehen haben, um mitreden zu können«) und anschließend im Schickeria-Restaurant genüsslich den bei lebendigem Leib in kochendem Wasser zu Tode gequälten Hummer als »Delikatesse« verspeist, mag sich möglicherweise auch als Tierfreund bezeichnen – hat er doch im heimatlichen Garten ein hübsches Vogelhäuschen aufgestellt.
Priester der Amtskirchen, Möchte-gern-Koryphäen der Nächstenliebe halten salbungsvolle Kanzelreden, tolerieren jedoch „politisch korrekt“ übelste Tierquälerei wie betäubungsloses Abmetzeln (Schächten) von Tieren, oder verherrlichen pharisäerhaft als Hege bezeichnetes Tun der Jagdgenossen und beweihräuchern in verfälschenden »Hubertusmessen« mit heuchlerischem Brimborium das Töten von Tieren in Wald und Flur.

Es ist schon schlimm, welch üble Fehler der liebe Gott bei seiner Schöpfung gemacht hat und neben bösartigem, konkurrierenden „Raubzeug“, wie Füchsen, streunenden Hunden, und Katzen, Grünzeug äsendem Rehwild, gar auch wühlende Wildschweine und andere störende Tiere schuf. All dieses Versagen muss die edle „Dornen“-Krone der Schöpfung im grünen Rock, nun mühsam mit Fallen, Schießeisen und über 1500 Tonnen Blei und Eisen jährlich ausbügeln. Mit im Jagdfieber zitternder Hand, werden so Tiere „angeschweißt“, krüppelig geschossen, sterben qualvoll mit zerfetzten Läufen und durchlöchertem Torso oft erst nach Wochen oder Monaten – keinesfalls bleiben die Tiere alle wunschgemäß „im Feuer“ liegen. “Wir Jäger sind begnadete Menschen” formulierte so einst auch in überwältigend bescheidener Selbsteinschätzung Jagdautor Fritz von Forell.(`Die Sache mit dem Waidwerk`, Seite 37, Dr. Horst Hagen/Herbig Verlag) Für diese lodengrün gewandeten, begnadeten Auserwählten, übertrifft wohl nur noch ihre Lust am Töten der Tiere, die Freude am vermeintlich so exorbitanten Wert ihres Menschdaseins…

So bastelt sich jeder nach eigenem Gutdünken (s)ein beliebiges Tierschutzverständnis zurecht.
Das Wort »Tierfreund«, sprich ‚Freund des Tieres‘ wird zu leichtfertig gebraucht, ja vielfach missbraucht, stellt es doch im Sinne der Begrifflichkeit angewandt, eine hohen Anspruch. So ist es leicht und eigentlich selbstverständlich, dem im eigenen Haushalt lebenden Hund, oder der Katze, die artgerecht mit Familienanschluss gehalten werden, ein guter »Freund« zu sein. Man mag dann ein Hunde- oder Katzenfreund sein.

Aber ist man deshalb schon ein Tierfreund? Hier ist ein großes Fragezeichen angebracht. Soll unsere Freundschaft, unser Mitgefühl zum Tier glaubhaft und ernsthaft sein, darf sie nicht selektieren und klassifizieren in Streichel-, Nutz-, Versuchs- und Pelztiere, wie es oft – zu oft – auch von manchen selbsternannten Tierfreunden geschieht. Denn Freunde nutzt man nicht aus, zieht ihnen nicht das Fell über die Ohren – und Freunde isst man übrigens auch nicht auf.-
Denn “Fleisch ist kein notwendiger Bestandteil der menschlichen Ernährung.(…) Der Verzicht auf dieses Nahrungsmittel stellt keine unzumutbare Beschränkung der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten dar.”

Diese weisen Erkenntnisse stammen nicht etwa aus einem Vegetarierhandbuch. Sondern, man höre und staune – es sind Zitate die im Zusammenhang mit dem (nach hier importierten) grauenvollen betäubungslosen Schächten von Tieren, schwarz auf weiß in den Urteilsbegründungen des Oberverwaltungsgerichts Hamburg und dem Bundesverwaltungsgericht Berlin nachzulesen sind. Hochrichterlich wird hier bestätigt was Mediziner, ernährungsbewusste Bürger und Tierfreunde schon lange wissen: Fleischessen ist absolut unnötig. Im Gegenteil, es ist maßgeblich verantwortlich für viele Krankheiten : Fettsucht mit infolge Kreislaufproblemen, Bluthochdruck, Schlaganfällen, Herzinfarkten, Diabetes, hohe Harnsäurewerte, Arthritis, Gicht , usw., usw.

Der Verzehr von Tierleichenteilen kann grundsätzlich nicht gesund sein – unabhängig von Skandalen mit Salmonellen, Trichinen, Knochen, Sehnen, Würmern, Blut, Gedärmen und sonstigen ekelerregenden halbverwesten Tierabfällen in Gammelfleischprodukten. Fleischessen ist unnötig wie ein Kropf und zweifellos nicht nur schädlich für das betroffene Tier.

Wer möchte schon als Tierquäler oder Tiertöter dastehen? Doch genau letzteres ist jedem Fleischesser indirekt vorzuwerfen. Denn die Nachfrage regelt das Angebot. Und Fleisch wächst bekanntlich nicht auf Bäumen – sondern wird als Massenware unter vielfach erbärmlichsten Bedingungen “erzeugt” und dann zu Billigstpreisen verramscht.

Der Begriff ‚Tierfreund‘ beinhaltet Verantwortung gegenüber aller Kreatur, gegenüber allen Tierindividuen und Arten, auch wenn sie uns persönlich nicht nahe stehen oder besonders sympathisch sind. Zur Verdeutlichung sei ein Beispiel angeführt: Wer zwingt uns das »Ekeltier« Spinne in der Wohnung totzuschlagen, anstatt das nützliche Krabbeltier zu fangen und unversehrt aus dem Fenster zu befördern? Ist es das Gefühl uns dabei lächerlich zu machen, oder nur Gedankenlosigkeit? Schon vor über 150 Jahren schrieb dazu Heinrich Heine: »Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten, aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.«

Gefordert ist mehr ehrliches Tierschutzverhalten im Alltagsgeschehen. Glaubwürdigkeit misst sich weniger an hehren Absichtserklärungen oder markigen Lippenbekenntnissen – sondern am Verhalten. Edle Gesinnungsethik muss in Handlungsethik münden. Was nutzt ein neu eingeführtes Staatsziel Tierschutz (s. GG Art 20 a), wenn die Umsetzung dieser Verfassungsvorgabe durch eine Verweigerung der Politik das Verbandsklagerecht auch für Tierschutzverbände einzuführen, brachial blockiert wird? Jedes »Nein« eines Volksvertreters zu dem rechtstaatlichen Instrument »Verbandsklage«, entlarvt auch das unmissverständliche Nein dieses Politikers zum Tierschutz – und muss auch das Wahlverhalten eines jedes ernsthaften (!) Tierfreundes beeinflussen!

Überall im Alltagsgeschehen könnte ein wenig mehr Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit den Tierschutz voranbringen. Das beginnt bereits beim Einkauf. Dr. Andreas Grasmüller, München in einem Fernseh-Interview schon vor 20 Jahren: »Wenn alle Hausfrauen, die für sich in Anspruch nehmen Tiere zu lieben, keine Eier aus der Legebatterie kaufen würden, wäre das Problem der Hühnerkäfighaltung längst gelöst«. Die Nachfrage regelt das Angebot. Eier aus artgerechter Freilandhaltung sind mittlerweile überall erhältlich. Andernfalls fragen Sie konkret danach – auch bei anderen Produkten vom Tier – um den Händler zur Listung von möglichst qualfrei erzeugten Tierprodukten mit einem Bio-Siegel zu motivieren.

Wenn wir auf das Tragen von Fell-Bekleidung nach Neandertaler-Manier (auch betr. Accessoires, oder versteckt als Futter verarbeitet) verzichten, würden auch in diesem Bereich viele vollkommen unnötige Quälereien vermieden. Wir können uns heute im Zeitalter modernster Fertigungstechniken und Hightech-Materialien warm und elegant kleiden, ohne perverse Eitelkeiten auf Kosten von qualvoll in Fallen gefangenen Wildtieren, oder verkrüppelten Zucht»pelz«tieren befriedigen zu müssen. »Ein Pelzmantel soll Vornehmheit repräsentieren. Aber bei soviel Qual, Not, Blut der geschundenen Kreatur, enthüllt er eine ganz andere Mentalität – Gefühlskälte, Arroganz und nichts als eitle Dummheit. (Verhaltensforscher Vitus B. Dröscher)

Bei der Entwicklung immer neuer, für unser Wohlbefinden absolut überflüssiger Produkte aus den Chemieküchen, für Kosmetika, Putz- und Waschmittel, werden täglich tausende Tiere »verbraucht«. Sie leiden und sterben in den Laboratorien für Erzeugnisse die ohnehin in unüberschaubarem Überfluss auf dem Markt vorhanden sind. Dies müsste nicht sein, wenn der Verbraucher – sich seiner Verantwortung und Käufermacht bewusst – ausschließlich auf Naturprodukte, oder altbewährte Artikel zurückgreifen würde, die nicht (mehr) in Tierversuchen getestet werden.
(Positivlisten der Anbieter von tierversuchsfreier Kosmetika, sind u.a. bei PETA Deutschland e.V., Dieselstr. 21, 70839 Gerlingen, erhältlich, oder im Internet unter www.peta.de einsehbar).

Schließlich im medizinischen Bereich: Wann werden wir angesichts vielfacher Arzneimittelskandale endlich begreifen, dass mit Veterinärmedizin-Wissen – gewonnen im Tierexperiment – Homo sapiens Gebrechen nicht kurierbar sind? Denn der Mensch ist keine Maus! Und gerade hier, wie auch bei den in der letzten Zeit in die Kritik gekommenen Gen-Manipulationen trifft besonders zu: Nicht alles was machbar erscheint, ist auch erlaubt. Moral und Ethik sind nicht nach Belieben teil- und anwendbar.
Lassen wir uns also bei unserem Einsatz für unsere tierischen Mitgeschöpfe – die wirklich Ärmsten der Armen – nicht beirren. Jeremy Bentham (1748-1832): “Wesentlich ist nicht die Zahl der Beine, die Behaarung, oder Farbe der Haut (…) Ein erwachsenes Pferd oder ein erwachsener Hund sind weitaus verständiger als ein Kind, das eine Tag eine Woche, oder sogar einen Monat alt ist. Doch selbst wenn das nicht so wäre, was würde das ändern? Die Frage ist nicht, können sie denken oder sprechen, sondern – können sie leiden?“

Tiere sind die Sklaven der heutigen Zeit. Und solange wir ihre Fesseln nicht lösen können, müssen wir zumindest ihre Ketten lockern, ohne natürlich das Ziel – die Befreiung aller unter der Knute der Menschen ächzenden Kreatur – aus den Augen zu verlieren.
So ist Tierschutzarbeit heute mehr denn je traurige Notwendigkeit. Mitleid alleine genügt nicht – helfen ist wichtig!

Und jeder kann helfen auf seine eigene, ihm individuell mögliche Art und Weise. Sei es durch aktive Mitarbeit in der Tierschutzbewegung, oder durch finanzielle Unterstützung einer engagierten Tierschutzorganisation seines Vertrauens. Jeder Einzelne, jeder Tierfreund im rechten Sinne des Wortes – als Freund des Tieres – kann durch sein Verhalten seinen Teil dazu beitragen, Tierschutz mit mehr Leben zu erfüllen. Indem er verantwortungsvoll allen (!) Tierarten und Tierindividuen gegenüber handelt und gerade in Alltagssituationen – über den Tellerrand seines eigenen Bereiches hinaus – sich engagiert für das Recht und den Schutz unserer älteren, aber so hilflosen, Tiergeschwister einsetzt.

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Ulrich Dittmann (31.01.2012; 12:09 Uhr)
ulrich.dittmann@web.de

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Veröffentlicht von „der fellbeißer“© (www.fellbeisser.net/news/) am 31.01.2012

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