Tierfreunde, die mit dem alltäglichen Tierelend des Quälens und Schlachtens konfrontiert werden, stecken in einem furchtbaren Dilemma der Hilflosigkeit: Leben retten wollen, es aber nicht können. Beispielsweise bei der so genannten “Nutztierhaltung” von Hühnern, Schweinen, Rindern u.a., die millionenfach lebenslang der grauenvollen Ausbeutung in Menschenhand ausgesetzt sind, bis sie mehr oder minder qualvoll umgebracht werden. “Hilflose Helfer”, charakterisiert am besten die traurige Situation der Tierschützer.

Wütendes demonstratives Schwenken der Fahne von Tierrechtlern mit der genialen Aufschrift “…ich bin gegen jegliches Töten etc.” (sic!) hilft aber dabei nicht weiter, rettet kein einziges Tierindividuum. Die Fleischesgier der Menschen ist nun mal unendlich. Wer vor diesen Fakten – aus welchen Gründen auch immer – die Augen zukneift, lügt sich selbst in die Tasche und geht traumtänzerisch von theoretischem schönen Wunschdenken aus – und knallhart an der Realität vorbei.

Wir können und dürfen Tieren so keinesfalls Gnadenakte verweigern, die ihnen zumindest eine Qualverminderung verschaffen, wenn die so sehr von uns gewünschte Lebensrettung oder Qualvermeidung – aufgrund der gegebenen Zustände auf dieser Welt – gegenwärtig nicht möglich ist.

Es kann nicht richtig sein, demonstrativ mit einer ultimativen Maximalforderung, “Alles oder Nichts” (“Bin gegen jegliches Töten”) letztlich das Alltagselend der Tiere zu negieren. Eine solche pharisäerhafte Haltung ist nur gut für das eigene Ego, sich so als ethisch perfekter Gutmensch der Mitwelt präsentieren zu können. Mit Wahrheiten und nicht durchsetzbaren Forderungen allein auf den Lippen ist im Alltagsgeschehen den Tieren leider nicht geholfen. Der ethische Anspruch ist eben nicht mit juristisch durchsetzbarem Recht identisch.

Manche Tierfreunde wollen am Ziel sein, ohne je die Startlinie gesehen zu haben. “…Der praktische Tierschützer muss immer wieder auf Kompromisse eingehen, weil der Alles-oder-Nichts-Grundsatz besonders im Tierschutz immer nur zum ‘Nichts’ und niemals zum ‘Alles’ führt.“ (Gotthard M. Teutsch: Mensch und Tier. Lexikon der Tierschutzethik)
So nützt es wenig, fest im Glauben, edel und gut, mit selbst aufgesetztem Heiligenschein (“Ich verrate die Rechte der Tiere nicht”) verbissen die reine Lehre zu verkünden – dabei oft ängstlich bedacht, sich nicht die Füße in den Niederungen der Alltagsrealität zu beschmutzen. Viele ahnen gar nicht, was alles auf uns zukommen mag. Genmanipulierte Anpassung der Tiere an ihre miserablen Haltungssysteme, zum Beispiel.

Manche kompromisslosen Frugivore-Anhänger* würden so am liebsten noch den Veganern abgeschnittene Salatblätter von der Gabel, und letztere wiederum, den Vegetariern die Käsestulle aus der Hand reißen. Biobauern, die versuchen den Tieren zumindest während ihrer Lebensspanne ein artgerechtes Leben zu bieten, werden verteufelt. Und Tierfreunde, die für eine gnädige Betäubung der Schafe und Rinder vor dem Schächt-Schlachten, oder vor dem Kastrieren von Ferkeln kämpfen, um ihnen zumindest einiges an Angst und Schmerzen zu ersparen, werden angegriffen: Sie würden als “Handlanger” der Tiernutzer fungieren, sich nicht “konsequent” genug verhalten und die Tiere so mit ihrem absoluten Recht auf Leben “verraten”.

Alle Tierschutz-Aktivitäten die Erleichterungen für die Tiere erreichen – und seien sie noch so bescheiden – sind kleine wichtige Mosaiksteine die helfen das große Bild der Tierbefreiung irgendwann einmal fertig zustellen.
Das Hauptproblem ist heute nicht (mehr) Tierrechte zu definieren, sondern es gilt – wenigstens ansatzweise – Tierschutz in der Praxis(!) durchzusetzen. Theoretisches Wissen um Ethik und Moral ist mittlerweile in Hülle und Fülle vorhanden. Wer davon heute noch nichts weiß, dem ist vorzuwerfen es nicht wissen zu wollen.

Ethisches Denken, das auch die Mitgeschöpflichkeit unserer Tiergeschwister mit beinhaltet, vollzieht sich nur langsam. Wichtig ist, all das vorhandene Wissen um die Notwendigkeit des Tierschutzes nun in ein gesamtethisches Handeln umzusetzen.
Und an letzterem mangelt es bei der (entscheidenden!) Masse der Menschheit gewaltig. Diese Menschenmasse wird zumindest in den nächsten 100 Jahren auf Fleischkonsum und sonstiger Tier”nutzung” bestehen – so unsere misshandelte Mutter Erde solange durchhält und nicht vorher an den parasitär wütenden Menschenmassen erstickt.

In die Gehirnwindungen all dieser Fleischesser- und Tiernutzermassen wird es (kurz- und mittelfristig) nicht gelingen, mit unseren Ethikkonzepten einzudringen. Das ist der Knackpunkt. Das ist die traurige Realität, von der wir gegenwärtig ausgehen müssen. Alles andere ist selbsttäuschende Augenwischerei. Jetzt und heute muss – wenn auch zähneknirschend – eine qualmindernde Zwischenlösung gesucht werden, solange die so sehr gewünschte Qualvermeidung nicht möglich ist.

Öffentliche, mit viel Herzblut geführte Debatten über den “richtigen” Weg zur Tierbefreiung, gegenseitige hilflose Schuldzuweisungen unter den Tierschützern nützen wenig, schaden eher der Sache. Denn nichts freut unsere Gegner, die Tiernutzer jeglicher Couleur mehr, wenn wir unsere begrenzten Kräfte mit solchen Scharmützeln verschleißen.

Es gilt heute(!) die Ketten der Tier-Sklaven zu lockern, wenn wir sie schon nicht zerreißen können. Keinesfalls reicht es, lediglich träumerisch edle Gesinnungsethik vor sich herzutragen.
Wir müssen uns mit praktizierender, ergebnisorientierter Handlungsethik der Realität des Tierschutz-Alltagsgeschehens stellen – ohne natürlich das Ziel, die Tiere von allen Fesseln zu befreien, je aus den Augen zu verlieren.

* Verzehren nur, was die Natur freiwillig hergibt (Nüsse, Körner, Äpfel etc.)

© Ulrich Dittmann

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Ulrich Dittmann – Arbeitskreis Tierschutz e.V. (27.10.2011; 15:10 Uhr)
ulrich.dittmann-arbeitskreis-t…
Internet: www.arbeitskreis-tierschutz.de

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Veröffentlicht von „der fellbeißer“© (www.fellbeisser.net/news/) am 27.10.2011

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