Helmut F. Kaplan
Die aktuelle Diskussion um Peter Singers Pro-Tierversuchs-Aussagen (1) hat für viel Ärger und Verwirrung gesorgt. Mit den folgenden Bemerkungen möchte ich versuchen, ein paar Punkte klarzustellen:
Die Frage, ob Singers Ethik zur Verurteilung von Tierversuchen und Fleischessen führt, kann so schlechterdings nicht beantwortet werden – weil Singer mit mindestens zwei Ansätzen operiert: mit dem Gleichheitsprinzip und mit dem Utilitarismus, wobei bei letzterem weiter differenziert werden muss zwischen klassischem und Präferenz-Utilitarismus sowie zwischen der “Vorherige-Existenz-Ansicht“ und der “Total-Ansicht“. Und diese verschiedenen theoretischen Ansätze führen in weiten Bereichen zu unterschiedlichen, zum Teil sogar zu gegensätzlichen Ergebnissen.
Singer hat sich in seinem Brief an den Observer (2) zwar erfreulich deutlich von Tierversuchen distanziert, eine Klarstellung oder Korrektur seiner aktuellen Pro-Tierversuchs-Aussagen war das allerdings nicht. Letztere waren nämlich utilitaristischer Natur, während er sich bei seinen Anti-Tierversuchs-Aussagen primär auf das Gleichheitsprinzip bezog.
Dass aber jetzt von manchen (3) so getan wird, als hätte sich Singer nie gegen Tierversuche und für Vegetarismus ausgesprochen, ist natürlich völliger Unsinn. Richtig ist vielmehr, dass viele der besten Tierrechts-Argumente von ihm stammen oder von ihm verbreitet wurden. Vor allem kommt Singer das große Verdienst zu, wie kaum ein anderer die rationale Diskussion in die Tierethik eingeführt zu haben. Ein Verdienst, das angesichts der unrühmlichen irrationalen Vergangenheit der Tierethik gar nicht hoch genug veranschlagt werden kann.
Erstaunt hat mich, mit welchem Hass jetzt von Teilen der Tierrechtsbewegung gegen Singer Stellung bezogen wird (ich dachte immer, das sei eine Spezialität der deutschsprachigen Tierrechtsbewegung). Man kann sich schwer des Eindrucks erwehren, dass hier “alte Rechnungen beglichen“ werden. Diese mangelnde Unterscheidung zwischen persönlicher und philosophischer Ebene ist bedenklich und gefährlich.
So dramatisch die momentane Situation auch sein mag und so negativ ihre Folgen mittelfristig auch sein können (Pro-Tierversuchs-Aussagen von DEM Tierrechtsphilosophen haben naturgemäß eine verheerende öffentliche Signalwirkung) – letztlich wird die Sache der Tierrechte dadurch nicht geschwächt werden. Denn die vielen guten (faktischen und ethischen) Gründe, die für Tierrechte sprechen, sind ja nicht schlechter geworden. Was sich aber noch deutlicher als zuvor gezeigt hat, ist, dass der Utilitarismus nicht zu diesen Gründen gehört. Aber dass der Utilitarismus zur Unterminierung von Tierrechten taugt, sollte kein Grund zur Beunruhigung sein: Mit ihm lassen sich auch Menschenrechte trefflich verleugnen!
1 www.timesonline.co.uk/article/…,,2087-2471990,00.html
2 www.animalsuffering.com/forum/…
3 www.biteback.be/news/detail.ph…
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Dr. Helmut F. Kaplan (16.12.2006; 08:30 Uhr)
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