„Kommt, lasst uns jubeln vor dem Herrn und zu jauchzen dem Fels unseres Heils.“ Mit diesem Satz präsentiert sich das Kloster St. Ottilien in Bayern gleich zu Anfang im Internet auf der Seite „Erzabtei live.“
Die Rinder, Kälber und Schweine, die in dem landwirtschaftlichen Betrieb inmitten der großen Klosteranlage ihr Dasein fristen, haben jedoch keinen Grund zum Jubeln und Jauchzen. Die Mastrinder sind jeweils zu viert in engen Boxen untergebracht, sie haben kaum Platz, um sich zu bewegen und können nicht einmal richtig liegen. Das kleine Stückchen Holzspaltenboden ist mit Exkrementen und Urin verschmiert, eine Erhöhung aus Beton, die jeweils mit Eisenstangen abgetrennt ist, dient vier Rindern notdürftig zum unbequemen Liegen. Insgesamt sind dort mindesten fünfundzwanzig bis dreißig Mastrinder untergebracht. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie ein Rind das andere zu besteigen versuchte oder wie sie sich mit den Köpfen hin- und herschoben. Die meisten aber liegen stumpfsinnig herum, ihre Hinterteile und Füße hängen oft über ihren viel zu engen Liegeplatz auf dem kalten Beton heraus, es gibt nicht einmal Stroh – nicht einen einzigen Strohhalm, der ihnen das Dasein erträglicher machen würde.
Dieselbe katastrohale Situation auch auf der gegenüberliegenden Seite bei den Kälbern; es bietet sich das gleiche Bild, nur in größerer Anzahl und mit wenigeren Abtrennungen. Das Platzproblem bleibt aber dasselbe. Auch die Kälber haben kein Stroh und liegen auf dem kalten Beton. Der Holzspaltenboden, über den sie wohl oder übel müssen, um an ihr Futter zu gelangen, das auf dem Boden draußen vor den Eisenstangen liegt, ist zum Teil extrem verschmiert. Viele der Kälber husten und liegen regelrecht in ihren eigenen Ausscheidungen. Dementsprechend sieht ihr Fell aus. Ich war an drei aufeinander folgenden Tagen dort: es war jedes Mal der gleiche traurige Anblick, der einem das Herz zusammenzieht, wissend, dass diese Tiere nur ihrem Tod entgegensiechen. Hat sich die katholische Kirche jemals wirklich eigehend mit dem fünften Gebot befasst? Heißt es da doch: „Du sollst nicht töten.“ Punkt. Nicht: du sollst nur Menschen nicht töten oder Katzen und Hunde. Schlicht und ergreifend dies: Nicht töten.
Den Schweinen ergeht es nicht besser. Hier ist es das übliche Bild von zusammengepferchten Schweinen in einer Box; durch das geöffnete Fenster kann man den Kopf kaum stecken, der Gestank nimmt einem den Atem. Vierundzwanzig Stunden so zu verbringen, Tag für Tag, bis man das richtige Gewicht hat, um geschlachtet zu werden? Kaum vorstellbar, unfassbar, aber die grausame Realität. Daraus wird das knusprig gebratene Schweineschnitzel, das anschließend in bayerischen Wirtshäusern auf dem Tisch landet. Auch in der angrenzenden Gaststätte vom Kloster St. Ottilien. Das Rinderfilet, der Schweinsbraten, das geschnetzelte Kalbfleisch, der Kalbsbraten, die Wurst, usw.
Die einzigen, die artgerechter gehalten werden, sind die Milchkühe. Wen wundert es? Sie müssen dem Menschen noch einige Jahre als Gebärmaschinen und Milchgeber dienen.
Auf der Seite, auf der das Energiekonzept vom Kloster vorgestellt wird, lese ich weiter:
„Wir sind als Menschen ein Teil der Natur, die Gott geschaffen hat. Ehrfurcht vor der Schöpfung und ihre Bewahrung sind daher für uns Mönche zentrale Anliegen. So sagt der Hl. Benedikt in seiner Regel dem Cellerar (dem Verwalter des Klosters): „Alle Geräte und den ganzen Besitz des Klosters betrachte er als heiliges Altargerät.“ Achtsam und sorgfältig sollen wir umgehen mit den Dingen, die uns anvertraut sind, sie bewahren für spätere Generationen.“
Ehrfurcht vor der Schöpfung? Ich konnte sie nicht finden in diesen Gemäuern.
„Alle Geräte sind heiliges Altargerät?“ Und was sind Tiere? Die Zustände in den Ställen zeigen, dass Geräte offensichtlich einen höheren Stellenwert einnehmen als Tiere.
„Achtsam und sorgfältig sollen wir umgehen mit den Dingen…“
Nun ja, mit den Dingen eben.
Nicht mit den Tieren.
Copyright ©2012 Daniela Böhm