Liebe Leser/innen,
neulich waren wir unterwegs. Mit der Bahn ging es quer durch Deutschland. Wir erblickten Frühlingsgrün, Wälder, Wiesen und bestellte Felder. Die in der Landschaft versprengten Waldstücke waren gesäumt von Hochsitzen, Ansitze in der Jägersprache. Sie drängten sich dem Blick auf – dicht gereiht huschten sie in kurzen Abständen an unserem Fenster vorüber, gleich drohenden Wachtürmen.
Es fehlte etwas in diesen Landschaften. Es waren die frei lebenden Tiere und dies, obwohl es früher Abend war, die Sonne tiefer am Himmel stand, und die Zeit der verstärkten Nahrungssuche vieler Tierarten angebrochen war. So angestrengt wir auch aus dem Zugfenster nach Tieren Ausschau hielten … nirgends waren wildlebende Tiere des Bodens zu sehen.
Die bewaffneten „Natur- und Tierschützer“, die sich gerne selbst Heger und Pfleger von Wald und Wild nennen, haben wahrlich ganze Arbeit geleistet und scheinbar Wildtier freie Landschaften erschlossen bzw. geschossen. Mit Schrot und Blei „regulierend“ in den Naturprozess eingreifen.
Ökologisches Gleichgewicht aus Jägersicht!
Seltsame Ökologie! Aber dem durch das blutige Freizeitvergnügen „Jagd“ getrübten Intellekt der Waidmänner und -frauen, der zuweilen nur noch bis an die Mündung ihrer Flinten reicht, bleiben eben die realen ökologischen Zusammenhänge und Fakten anscheinend genauso verschlossen wie die kontroverse Einstellung unserer Gesellschaft zu dem archaischen und elitären Mordvergnügen in Wald und Flur.
Waidmanns Ökologie: Tiere, die sich im Wald, sofern man die Einsprengsel von größeren Baumbeständen noch so nennen kann, verstecken müssen. Tiere, deren natürlicher Lebensraum der Waldrand ist und nicht der Wald, den die Jäger mit ihren Ansitzen umzingelt haben. Und die Tiere erspüren die Drohung: Wenn Du Dich aus dem Wald wagst, dann wartet der Tod auf Dich.
Der Tod eines empfindungsfähigen Lebewesens durch eigene Hand ist für Jäger kein Tabu und immer häufiger auch nicht für Jägerinnen. Frauen, die hinter ihren männlichen Artgenossen nicht zurückstehen wollen mit der Leidenschaft zum Töten. Gleichberechtigung und Emanzipation selbst noch im Tötungswahn, im Lustmord! Was Du kannst, kann ich auch! Von wegen schwaches Geschlecht!
Zünftig wollen sie sein, gründen Vereine Namen wie Weiberrevier. Ja, Weiber, das sind sie wohl! Flintenweiber! Schlechte Parodien ihres Geschlechts auf männlicher wie weiblicher Seite.
Jagen und töten als Ausgleich für … ja, für was eigentlich? Für einen frustrierten Sexualtrieb? Eine nicht geglückte Identität? Die Jagd als Kompensation für das Trauma der eigenen Vergänglichkeit? Kitschige Gefühle von „Abenteuern“ anstatt einer erlernten reifen Lebens-Kunst? Oder einfach nur elitäres Statusdenken. Die Frau gehört dazu, der grüne Rock, der Schmuck aus Hirschhorn und der Drilling als Symbole von Luxus, Macht und Sexappeal … zumindest in Jägerkreisen.
Und die nicht jagende Bevölkerung schaut weg, zwar nicht mehr so ehrfürchtig wie früher, denn Jäger erinnern an Uniformierte (von dem Kopf bis zu den Hoden, der Jägersmann trägt Lodenmoden), aber zum Protest reicht es noch lange nicht in der Untertanen-Gesellschaft. Nur nicht auffallen, nur keine Kritik üben, nur keine Zivilcourage zeigen. Am besten sich jeglicher fundierter Information über diese Grünröcke, deren Verhalten wie deren Veranstaltungen verweigern.
Wir haben nichts gewusst! Irgendwie kommt einem dieser Spruch bekannt vor! Der Lehrer, der Pfarrer, der Professor, der Wirtschaftsboss, der Politiker, viele der Besser- und Best-Betuchten finden sich in grüner Kluft ein, und sei es als geladener Gast auf Feudaljagden, die heute auch Wirtschaftsjagden genannt werden. Postaristokraten der „wilden“ Landschaft, feudalistisch gesinnte Herren und Damen, denen die Tiere die nicht mehr statthaften Leibeigenen oder der Willkür anheim gegebenen Untergebenen ersetzen. Oder Jagd als Ersatzkrieg, denn Jagen ist eine der letzten Möglichkeiten, auch außerhalb von Kriegszeiten dem Töten zu frönen. Ausleben der natürlichen, unkultivierten Triebe. Wie wäre dies risikoloser zu bewerkstelligen als gegenüber deklariertem „Frei“- Wild? In jeder Hinsicht eine sichtbare Herrenmenschenmentalität. Göring lässt grüßen!
Daneben die Sprachunkundigen, die dem Jägerlatein dieser psychisch Unterentwickelten von der nötigen Hege und Pflege und dem edlen Waidwerk aufsitzen.
Die Herren Heger und Pfleger sind sich nicht zu schade, sich als Naturschützer aufzuspielen oder den Verfolgungen und Tötungen das Mäntelchen von der ökologischen Jagd umzuhängen, obwohl sie pro Jahr Tonnen von giftigem Blei in Gewässer und Wälder schießen …und in Tiere.
Rettet den deutschen Wald vor Wildverbiss, lautet eine schon längst widerlegte Parole.
Die Jäger schützen Wald und Feld nicht vor Wildschäden, sie provozieren diese erst durch den Jagddruck und den dadurch erhöhten Energieverbrauch der Tiere. Sollen diese Tiere von Luft und Liebe leben? Am Waldrand stehen die Hochsitze! Dort wachsen, wenn nicht durch Menschenhand mit Spritzmitteln und Dünger verseucht, die von Natur aus den Tieren zugedachten Kräuter und Gräser. Aber dort sich blicken zu lassen, um das wenige noch Genießbare zu essen, ist für die Tiere lebensgefährlich geworden.
Auch Tiere haben ihre Erfahrungen gemacht. Die Not treibt sie schließlich dennoch an den Waldrand. Der Schuss sitzt sehr locker, zerfetzt vielen Tieren den Leib, die Läufe, ohne sie zu töten, zumal diese Jäger/innen aus Passion keine Verächter eines zünftigen Schluckes aus dem mitgebrachten Flachmann sind. Zielwasser tanken heißt die Parole. Vorher, zwischendrin und hinterher sowieso. Es soll gegen das Zittern der Hände helfen. Hochprozentiges als Stimulans, als Agens und als Beruhigungsschluck vor und nach halb/vollbrachter Tat.
Die Jagd ist aufregend – auch vom Ansitz aus. Treibjagden und Schüsseljagden sind es sowieso. Da kommen dann die etwas bewegungsfreudigeren Herrchen und Dämchen samt ihrer Hunde zum Zuge. Demokratische Gesellschaften und deren harmlose Kompensationsformen wie Kegeln, Segeln oder Flegeln sind für die Gelüste dieser Personen nicht ergiebig genug. Es muss Blut fließen. Ohne Blut nur ein halber Spaß. Auflauern, anpirschen, niederstrecken. Ungerührt aus kurzer Distanz den Fangschuss aus der Handfeuerwaffe abgeben, sofern man sich überhaupt der Mühe der Nachsuche unterzieht. Es sind ja nur Tiere!
Und wer hält sich freiwillig in dieser gewalttätigen Gesellschaft auf, auf deren Konto jedes Jahr mehr als 800 verletzte und getötete Menschen gehen. Nur diejenigen, die die Gefahr, die von diesen Schießlustigen ausgeht, nicht erkennen – sei es, weil sie selbst dazugehören, sei es, weil sie in ihrer Jugend ein paar Mal zu viel den „Förster im Silberwald“ gesehen und ein verklärtes Bild der Jagd im Kopf haben. Oder weil man als Jagdgast einmal am zweifelhaften Vergnügen dieser Gesellschaft teilnehmen wollte. Die Hoffnung, dass sich die Waidmänner somit selbst den Garaus machen, bleibt allerdings vergebens, denn die Welt ist voll von Ignoranten und schießwütigen Naturen, so dass die sich lichtenden Reihen immer wieder aufgefüllt werden.
Jäger sitzen dort, wo über Sinn und Unsinn der Jagd befunden werden könnte. In Schlüsselpositionen. Es sind die altbewährten Pfade von Geld, Macht, Einfluss, Beziehungen, die demokratische Regeln außer Kraft setzen, obwohl sich der Verstand dieser Herren und Damen schon längst selbst außer Kraft gesetzt hat. Was soll es? Politik war noch niemals eine Angelegenheit des Verstandes. Was legal oder nicht legal ist, unterliegt anderen Spielregeln. Deshalb auch legal die Fallen, das Kirren, das Einrichten von Luderplätzen, selbst das Erschießen von Haustieren in Hausnähe.
Natur genießen mit Sicherheitsabstand und Hightech-Ausrüstung. Kaum eine Chance zum Entkommen für die Eingeschlossenen und Schonzeiten nur für bestimmte Tierarten, damit sich die waidmännische Aufrüstung auch lohnt … in Form einer möglichst großen Strecke, wie es in Jägerkreisen heißt.
Da keiner genau hinsieht und man sich obendrein selbst kontrolliert, obwohl man sich selbst nicht unter Kontrolle hat, sieht es für bedrohte Tierarten, die unter ganzjährigen Schutz gestellt sind, schlecht aus.
Oh, fast vergessen! Der Sex spielt natürlich auch eine Rolle. Wie könnte es anders sein. Die Erektionen bei den Jägern leicht zu sehen, wenn man weiß, wohin man zu schauen hat, sobald die Hobbykiller zum Schuss gekommen sind. Waidmanns Geil und Waidmanns Krank: Erguss beim Schuss! Bei den Flintenweibern wird sich geschlechtsspezifisch bedingt wohl Vergleichbares im Unterleib abspielen. Die Hormone spielen verrückt: Jagdfieber! Archaische Gefühle in modischer Aufmachung. Innen pfui und außen hui bei den 0,3% der Menschen in Deutschland, welche Jäger/innen aus Gründen der Freizeitgestaltung und des Statusdenkens sind.
Eine Gesellschaft, die solche psychisch Entgleisten widerstandslos erträgt – wie ein von oben verhängtes Schicksal: Menschen, die inzwischen schamlos zugeben, dass es ihnen um die „Lust am Töten“ und „die Freude am Beutemachen“ geht. Welche moralische Kraft steckt noch in einer solchen Gesellschaft, deren (Buch-)Werte durch eine zahlungskräftige Minderheit ganz offen mit Füssen getreten werden können?
Welche Kraft steckt noch in einer Gesellschaft, die schon längst widerlegte Lügen der Grünröcke widerstandslos akzeptiert und sich allenfalls auf kostenlose Lippenbekenntnisse gegen die Jagd beschränkt? Wenn nicht geistige Schlaffheit, dann offenbar eine mörderische Kraft, die schweigend hinnimmt, dass jedes Jahr über 5 Millionen wildlebende Tiere von den „Killern im grünen Gewand“ umgebracht werden – oft auf grausamste Weise. Und dies ohne ökologische Notwendigkeit. Denn diese Tiere beherrschen, was dem Menschen trotz seiner überlegenen Intelligenz nicht gelingt – die Selbstregulation des Nachwuchses nach vorhandenem Nahrungsangebot.
Die Eingriffe der Jagdlustigen setzen diese natürlichen Mechanismen außer Kraft. Beweise? Genug! Man müsste sie nur zur Kenntnis nehmen wollen. Nur, seit wann akzeptiert der nichtjagende Mensch Beweise, bewährt er sich als wahrhaft aufgeklärter Mensch, wenn das Wollen letztendlich wie beim Urahn lust- anstatt Vernunft gesteuert ist? Wenn die Deutschen in der Mehrheit noch immer eher als (Wild)-Tierfleischfreunde zu bezeichnen sind denn als Tierfreunde? Oder isst man etwa seine Freunde?
„Die größte Gefahr für das Bestehen der Jagd ist die Vernunft“ (Paul Parin, Ethologe, Psychologe und leidenschaftlicher Jäger).
Seien Sie gegrüßt und umarmt
A.K.T.E.- Redaktion / Barbara Hohensee / Stefan Bernhard Eck / 31.05.2005