Ergänzende Überlegungen
Kürzlich rief mich ein Rat suchender Tierhalter an: er wollte wissen, was von der „Frühkastration“ bei Hunden und Katzen zu halten ist, wie sie angeblich auch seitens universitärer Oberen empfohlen wird. Frühkastration, also die Entfernung der Keimdrüsen vor der Pubertät im Alter von 3-5 Monaten?
„Das ist alles amerikanischer Quatsch, der hier in Deutschland nachgeplappert wird!“
Wer kennt nicht die Zusammenhänge zwischen Wachstumsstörungen junger Hunde und Katzen, wie sie durch massenhaften Einsatz von Chemie im Futter hervorgerufen werden, und schwersten orthopädischen Erkrankungen, wie Gelenkdysplasie und instabiler Wirbelsäule?
Wer kennt nicht die Zusammenhänge zwischen pubertärer Entwicklung, dem Auswachsen der Gelenke und der Beendigung des Längenwachstums?
In Lehrbüchern der Physiologie ist es nachzulesen: Der Organismus benötigt die pubertäre, also geschlechtsspezifische Entwicklung, um in natürlicher Weise erwachsen zu werden – sprich auswachsen zu können – indem zum Beispiel sein Knochenskelett sich so entwickelt, wie es seitens des Genoms (bzw. vom lieben Gott) vorgegeben ist, mit dem Ziel gesunder Knochen und Gelenke, mit dem Ziel gesunder Organe und eines ungestörten hormonellen Gleichgewichts.
Die Verhinderung der Pubertät eines Säugetiers durch Frühkastration ist leider ein entscheidender Schlüssel zu seiner frühen oder mittelfristiger Verkrüppelung. Na fein – nicht alles, was da aus den USA „herüberkommt“ ist so toll! Wer verkrüppelt schon wissentlich gern seine Hunde und Katzen – und „verpasst“ ihnen instabile Gelenke, die arthrotisch werden?
Die Wirbelkette hat auch Gelenke. Es sind die so genannten Facetten oder auch Seitengelenke der Wirbel. Es handelt sich um Schiebegelenke, die, wenn sie nicht richtig ausgebildet sind, zu einer „Wackelwirbelsäule“ führen mit allen unsäglichen Folgen der Bandscheibenaufquellungen – sprich: Bandscheibenentzündungen.
Hauen Sie sich mal mit dem Hammer mehrfach auf den Daumen. Der wird tatsächlich größer. So ergeht es auch den Bandscheiben, die durch eine „Wackelwirbelsäule“ unphysiologisch traumatisiert werden und zu schweren Schmerzen bis hin zu Lähmungen Anlass geben.
Sicher, der Einsatz von Antiphlogistika wie Rimadyl und Co. kann hilfreich sein. Sie verkleinern das Schmerzbild – vorübergehend. Aber allein durch einen Spinalkatheter in den Periduralraum eingebrachte Medikamente können die aufgequollenen Bandscheiben so verkleinert werden, dass sie nicht mehr auf die Nervenwurzeln oder das Rückenmark drücken.
Aber was dann? Was passiert an der „übernächsten Ampel“? Die Ursache – die Instabilität innerhalb der Wirbelsäule – ist nicht beseitigt worden.
Richtig: Die lasergestützte Verdampfung der Bandscheibenkerne auffälliger und durch die Spinalkatheter-Therapie wieder verkleinerter Bandscheiben ist eine Lösung. Sie ist ein Weg.
Ein anderer Weg ist die „dorsale Laminektomie“, also die Entfernung des Wirbeldaches über der aufgequollenen Bandscheibe. Diese Methode greift besonders beim Cauda equina-Syndrom und bei fortschreitenden Lähmungen, hervorgerufen durch Bandscheibenvorfälle.
Was macht man aber, wenn Bandscheiben in größerer Zahl aufgequollen sind und „an der nächsten Straßenecke“ weiter zu Lähmungen führen (können)?
Wir sind dazu übergegangen, V2A-Rundstahl in der Stärke 3 bis 5 mm in verschiedenen Längen auf die betroffenen Wirbelkörpern zu legen, ihn an deren Dornfortsätzen mit orthopädischem Draht so zu befestigen, dass eine unphysiologische Beweglichkeit im Bereich der Zwischenwirbelräume vollständig reduziert wird.
Das Ergebnis: Die auffälligen Bandscheiben werden meist auch ohne medikamentelle Hilfe kleiner und kleiner – das Krankheitsbild der Discospondylitis heilt bis zur Beschwerdefreiheit ab, gut feststellbar über eine Myelographie.
Die oben beschriebene Methode wird auch bei dem Cauda equina-Syndrom angewendet: Nach erfolgter dorsaler Laminektomie werden die Dornfortsätze des 6. und 7. Lendenwirbels und weiter die Dornfortsätze des Steißbeins durch einen V2A – Rundstab miteinander verbunden. Auf diese Weise kommt der Prozess der Discospondylitis zwischen dem 7. Lendenwirbel und dem Steißbein (L7-S1) zur Ruhe. Das kranke Bandscheibengewebe schwillt ab.
Eine tolle Erfindung? In der Humanmedizin werden instabile Wirbelkörper schon seit undenklichen Zeiten auf diese Weise stabilisiert. Es handelt sich um einen recht einfachen chirurgischen Eingriff, der uns beweist, dass man nie aufhören sollte, selbständig zu denken.
Wenn denn schon die bekannte „Cauda equina-Op“ durchgeführt wird, ist es eine Kleinigkeit, die oben beschriebene Wirbelkörper-Stabilisierung durchzuführen. In der Veterinärmedizin spricht man neuerdings von Vertebral-Verblockung. Siehe hierzu auch die Transiliale Vertebral Verblockung nach Müller, ein Verfahren, das die Logik der L7-S1 Stabilisierung in sich trägt, jedoch ausschließlich unter permanenter Röntgen- oder MRT-Kontrolle durchführbar ist.
Die Kosten der oben beschriebenen >erweiterten Cauda equina-Operation< mit V2A-Stahl liegen bei cirka 300 € zuzüglich Narkosekosten also maximal bei 400 € zzgl. Mehrwertsteuer.
Dirk Schrader, Hamburg
Tierärztliches Institut für
angewandte Kleintiermedizin
Innovation und Kompetenz seit 1973
Das Tierhospital Hamburg
Gemeinschaft
für ambulante und klinische Therapien
Rahlstedter Straße 156
22143 Hamburg
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TierklinikHH@aol.com (30.08.2009; 03:49 Uhr)
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