Helmut F. Kaplan

Vor einiger Zeit fiel mir folgender Zeitungsbericht in die Hände (Kronen Zeitung, vermutlich September 2006):

“Dem Tod entronnen ist am Samstag ein Schaf im steirischen Gleisdorf. Als das Tier zur Schlachtung verladen werden sollte, büchste es aus und rannte um sein Leben – und zwar direkt zum Tierheim! Dort wurde der «Flüchtling» mit offenen Armen empfangen.

Das Schaf dürfte gewissermaßen einen sechsten Sinn gehabt haben. Bei der Sammelstelle vor dem Abtransport in den Schlachthof begann das Tier seine waghalsige Flucht – es überquerte sogar einen Bach, um seinem traurigen Schicksal zu entkommen.

Auf der Suche nach Hilfe hatte der ein Jahr alte Schafbock einen guten Riecher: Seine Flucht endete vor dem Gleisdorfer Tierheim, wo er aufgenommen wurde. Mit finanzieller Unterstützung der Grazer «Arche Noah» kauften die Gleisdorfer Tierfreunde das Schaf – zum handelsüblichen Kilopreis von 2 Euro.“

Das ist ein bemerkenswerter Bericht – aus mindestens zwei Gründen: Erstens laufen solche Geschichten üblicherweise nach einem ganz anderen Schema ab: Verzweifeltem Tier gelingt die Flucht aus dem Schlachthof, eine Zeit lang ‚narrt’ es die herbeigeeilten Bauern und Polizisten, entkommt aber letztlich doch nicht seinem ‚Schicksal’ – und landet auf der Schlachtbank.

Zweitens ist diese Meldung bemerkenswert, weil sie drastisch die Schizophrenie unserer Gesellschaft in bezug auf Tiere veranschaulicht: Es gibt sowohl Institutionen, die Tiere umbringen, also auch Institutionen, die Tiere vor eben diesem Schicksal bewahren. Es ist also purer Zufall, wem ein flüchtendes Tier in die Arme läuft: seinem Mörder oder seinem Retter.

Für diese Schizophrenie gilt es zu sensibilisieren. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Es muss jedem Leser, der sich darüber freut, dass dieses Tier nicht ins Schlachthaus, sondern ins Tierheim gelaufen ist, klargemacht werden: Wenn er selber weiterhin Fleisch isst, ist er schlicht ein Idiot. Denn man kann nicht ein und dieselbe Sache – die Schlachtung – gleichzeitig wollen und nicht wollen!

Generell: Es muss weiterhin mit aller Macht und auf allen Ebenen verdeutlicht werden, dass die traditionelle Tierschutzposition, wonach Tiere schützen und Tiere essen kein Widerspruch seien, in Wirklichkeit der Inbegriff des Absurden ist. Wer den Widerspruch zwischen Tiere schützen und Tiere essen verwischt, verdummt die Menschen und verrät die Tiere.

Copyright: Helmut F. Kaplan

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Dr. Helmut F. Kaplan (24.06.2007; 07:40 Uhr)

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